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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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schlug sofort die Börsenberichte auf. Er verstand von diesen Sachen nichts und konnte die Gesellschaft, von der Macalister gesprochen hatte, nur mit Schwierigkeiten finden. Er sah, dass sie um ein Viertel gestiegen war. Das Herz schlug ihm schneller, und gleichzeitig überkam ihn eine plötzliche Furcht, dass es Macalister vielleicht vergessen oder aus irgendeinem Grunde nichts gekauft haben könnte. Macalister hatte versprochen, er würde telegrafieren. Philip konnte die Elektrische nicht abwarten, um eiligst nach Hause zu kommen, und nahm sich eine Droschke. Es war eine ungewohnte Verschwendung.
    »Ist ein Telegramm für mich gekommen?«, fragte er, als er hereinplatzte.
    »Nein«, sagte Mildred.
    Sein Gesicht wurde lang; er ließ sich voll bitterer Enttäuschung in einen Stuhl fallen.
    »Dann hat er sie also doch nicht für mich gekauft. Verdammt noch mal«, fügte er heftig hinzu. »Ein grausames Pech. Und ich habe mir schon den ganzen Tag vorgestellt, was ich damit machen könnte.«
    »Was denn?«, fragte sie.
    »Was hat das denn für einen Sinn, jetzt darüber zu reden? Ach, ich habe mir das Geld so sehr gewünscht.«
    Sie lachte auf und gab ihm ein Telegramm.
    »Ich wollte nur Spaß machen. Ich habe es schon aufgemacht.«
    Er riss es ihr aus den Händen. Macalister hatte zweihundertundfünfzig Aktien für ihn gekauft und sie mit einer halben Krone Gewinn, wie verabredet, wieder losgeschlagen. Der Kommissionszettel würde morgen folgen. Einen Augenblick lang war Philip wütend auf Mildred wegen des gemeinen Scherzes, dann aber konnte er nur noch an seine Freude denken.
    »Das gibt der Sache ein ganz anderes Gesicht«, rief er. »Ich spendiere dir ein neues Kleid, wenn du magst.«
    »Das bräuchte ich dringend«, antwortete sie.
    »Weißt du, was ich mache? Ende Juli lasse ich mich operieren.«
    »Nanu, fehlt dir denn etwas?«, unterbrach sie ihn.
    Ihr kam plötzlich der Gedanke, dass vielleicht eine Krankheit, von der sie nichts wusste, das erklären konnte, worüber sie sich schon den Kopf zerbrochen hatte. Er wurde über und über rot, denn er hasste es, von seinem Gebrechen zu sprechen.
    »Nein, aber sie glauben, dass man mit meinem Fuß etwas tun kann. Ich hatte vorher keine Zeit dafür übrig, aber jetzt kommt es nicht so sehr darauf an. Ich werde eben im Oktober statt im nächsten Monat mit der neuen Assistentenstelle anfangen. Ich brauche nur für ein paar Wochen ins Hospital zu gehen, und dann können wir für die übrigen Sommerwochen an die See fahren. Es wird uns allen guttun, dir, dem Kind und mir.«
    »Ach, bitte nach Brighton, Philip. Ich mag Brighton so gern; es sind so nette Leute dort.«
    Philip hatte vage an irgendeinen kleinen Fischerort in Cornwall gedacht, aber während sie sprach, fiel ihm ein, dass Mildred sich dort wahrscheinlich zu Tode langweilen würde.
    »Mir ist es gleich, wo wir hingehen, wenn es nur am Meer ist.«
    Er wusste nicht warum, aber er fühlte plötzlich eine unwiderstehliche Sehnsucht nach dem Meer. Er wollte baden und stellte sich voller Entzücken vor, wie sie im salzigen Wasser herumplätschern würden. Er war ein guter Schwimmer, und nichts berauschte ihn mehr als die bewegte See.
    »Himmel, das wird wunderbar werden!«, rief er aus.
    »Wie eine Hochzeitsreise, nicht?«, sagte sie. »Wie viel willst du mir für das neue Kleid geben, Phil?«
    94
     
    Philip bat Mr.   Jacobs, den Assistenzarzt, für den er gearbeitet hatte, die Operation vorzunehmen. Jacobs nahm die Aufforderung mit Freuden an, da er sich gerade zu der Zeit für vernachlässigte Talipes interessierte und Material für eine Veröffentlichung sammelte. Er warnte Philip davor zu glauben, der Fuß würde völlig normal werden, war aber immerhin überzeugt, eine ganze Menge leisten zu können. Wenn er auch weiterhin hinken würde, so würde er doch einen weniger klobigen Schuh als bisher tragen können. Philip erinnerte sich, wie er zu einem Gott gebetet hatte, der Berge versetzen kann für den, der den rechten Glauben hat, und er lächelte bitter.
    »Ich erwarte kein Wunder«, antwortete er.
    »Ich finde es klug von Ihnen, dass Sie mich versuchen lassen, was ich kann. Ein Klumpfuß ist doch in der Praxis eine ziemliche Behinderung. Der Laie hat eine Menge Schrullen; er hat es nicht gern, wenn seinem Arzt etwas fehlt.«
    Philip kam in eines der kleinen Zimmer, außerhalb jeder Abteilung, reserviert für besondere Fälle. Er blieb einen Monat lang dort, weil ihn der Chirurg erst entlassen wollte, wenn er

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