Der Menschen Hoerigkeit
ein sehr liebevoller Mensch und hatte immer wenig Gelegenheit gehabt, diesen Zug zu entfalten. Mildred war nicht unfreundlich zu dem kleinen Mädchen. Sie kümmerte sich sehr wohl um das Kind, und einmal, als es eine Erkältung hatte, bewährte sie sich als aufopfernde Kinderschwester; aber das Kind langweilte sie, und sie schimpfte schnell mit ihm, wenn es sie störte; sie hatte das Kind ganz gern, aber es fehlte ihr die mütterliche Liebe, die sie dazu hätte bringen können, sich selbst zu vergessen. Mildred ging nicht aus sich heraus, sie hielt Gemütsbewegungen für lächerlich. Wenn Philip das Baby auf den Knien sitzen hatte, mit ihm spielte oder es küsste, lachte sie ihn aus.
»Du könntest nicht mehr Getue um sie machen, wenn du ihr eigener Vater wärst«, sagte sie. »Du bist einfach verrückt nach dem Kind.«
Philip errötete, denn er hasste es, ausgelacht zu werden. Es war natürlich absurd, sich für das Kind eines anderen Mannes so zu begeistern, und er war ein wenig beschämt, wie sein Herz überging. Aber das Kind, das Philips Zuneigung fühlte, legte sein Gesicht gegen das seine oder schmiegte sich in seine Arme.
»Für dich ist das alles sehr nett«, sagte Mildred. »Du hast nur den angenehmen Teil davon. Wie würde es dir gefallen, mitten in der Nacht eine Stunde lang wach gehalten zu werden, weil das gnädige Fräulein nicht schlafen will?«
Philip erinnerte sich an viele Dinge aus seiner Kindheit, die er längst vergessen zu haben glaubte. Er nahm die Zehen des Babys.
»Dieses kleine Schwein ging aus, dieses kleine Schwein blieb zu Haus.«
Wenn er abends nach Hause kam und ins Wohnzimmer trat, galt sein erster Blick der Kleinen, die auf dem Boden herumkrabbelte, und er freute sich über die Maßen, dass die Kleine, sobald sie ihn sah, vor Vergnügen krähte. Mildred brachte ihr bei, ihn Papa zu nennen, und sie lachte unbändig, als die Kleine es zum ersten Mal von sich aus tat.
»Ich möchte mal wissen, ob du in die Kleine so vernarrt bist, weil sie meine ist«, sagte Mildred, »oder ob du genauso wärst, wenn sie jemand anderem gehörte.«
»Ich habe noch kein Kind von jemand anderem gekannt, folglich kann ich das nicht sagen«, entgegnete Philip.
Gegen Ende seines zweiten Semesters als Assistent in der stationären Klinik ereignete sich ein kleiner Glücksfall für Philip. Es war Mitte Juli. Er war eines Dienstagabends in die Taverne in der Beak Street gegangen und hatte nur Macalister dort angetroffen. Sie saßen zusammen, schwatzten über die nicht anwesenden Freunde, und nach einem Weilchen sagte Macalister: »Ach, übrigens, ich habe heute von einer ziemlich guten Sache gehört: New-Kleinfonteins, das ist eine Goldmine in Rhodesien. Wenn Sie mal einen Versuch machen wollen, vielleicht können Sie ein bisschen gewinnen.«
Philip hatte eifrig auf so eine Gelegenheit gewartet, jetzt aber, da sie sich bot, zögerte er. Er hatte verzweifelte Angst davor, Geld zu verlieren. Er hatte kein Spielerblut in sich.
»Ich möchte gerne, aber ich weiß nicht recht, ob ich mich traue. Wie viel könnte ich denn schlimmstenfalls verlieren?«
»Ich hätte ja nicht davon gesprochen; Sie schienen aber so darauf erpicht«, sagte Macalister kalt.
Philip spürte, dass Macalister ihn für einen Esel hielt.
»Ich bin sehr dahinter her, ein bisschen Gewinn zu machen«, sagte er lachend.
»Wer nichts wagt, kann nichts gewinnen.«
Macalister begann von andern Sachen zu reden, und Philip dachte, während er ihm antwortete, die ganze Zeit, dass sich der Börsenmakler bei ihrem nächsten Treffen über ihn lustig machen würde, sofern das Abenteuer gut ausging. Macalister hatte eine sarkastische Zunge.
»Ich glaub, ich wage mal einen Versuch, wenn es Ihnen recht ist«, sagte Philip eifrig.
»Gut. Ich kaufe zweihundertundfünfzig Aktien für Sie, und bei einer Hausse von einer halben Krone verkaufe ich sie sofort wieder.«
Philip rechnete sich rasch aus, wie viel das sein würde; der Mund wurde ihm wässrig: Dreißig Pfund waren gerade jetzt ein Geschenk des Himmels, und er fand, dass das Schicksal ihm das eigentlich schuldig war. Beim Frühstück am nächsten Morgen erzählte er Mildred, was er getan hatte. Sie fand es sehr dumm von ihm.
»Ich habe noch niemanden kennengelernt, der an der Börse etwas gewonnen hat«, sagte sie. »Das hat Emil immer gesagt; man braucht nicht zu meinen, dass man mit der Börse Geld verdienen kann, sagte er immer.«
Auf dem Heimweg kaufte sich Philip eine Abendzeitung und
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