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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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eifriger Vaterlandsliebe versprochen, ihnen die Stellen freizuhalten. Sie bürdeten denen, die daheim geblieben waren, die Arbeit der Helden auf. Da sie deren Gehalt jedoch nicht erhöhten, waren sie imstande, sowohl Gemeinsinn zu zeigen als auch gleichzeitig Geld einzusparen. Aber der Krieg zog sich hin, und das Geschäft ging weniger schlecht; die Ferien standen vor der Tür, und einige aus dem gewöhnlichen Verkäuferstab würden jeweils für vierzehn Tage verreisen: Lynn musste neue Helfer einstellen. Philips Erfahrung hatte ihn pessimistisch gemacht, und er zweifelte, dass sie ihn selbst in dieser Situation nehmen würden. Athelny fühlte sich jedoch als einflussreicher Mann innerhalb der Firma und bestand darauf, dass der Leiter ihm nichts abschlagen könne. Philip würde mit seiner Pariser Ausbildung sehr von Nutzen sein, man musste nur ein bisschen abwarten, dann würde er bestimmt eine gutbezahlte Stellung bekommen, um Kleider zu entwerfen und Plakate zu malen. Philip entwarf ein Plakat für den Sommersaison-Ausverkauf, und Athelny nahm es mit. Zwei Tage später brachte er es wieder zurück und sagte, der Leiter hätte es sehr bewundert, müsste aber von ganzem Herzen bedauern, dass in der entsprechenden Abteilung keine Stelle frei wäre. Philip fragte, ob es denn sonst keine Möglichkeit gebe.
    »Ich fürchte, nein.«
    »Sind Sie ganz sicher?«
    »Nun ja, sie inserieren für einen Aufseher«, sagte Athelny und sah ihn zweifelnd durch seine Brillengläser an.
    »Glauben Sie, dass ich da Aussichten hätte, angestellt zu werden?« Athelny war ein wenig verlegen. Er hatte Philip weit großartigere Hoffnungen gemacht, andererseits aber war er selbst zu arm, um ihn lange mit Wohnung und Essen versorgen zu können.
    »Sie könnten ja die Stelle annehmen, bis sich etwas Besseres bietet. Es ist natürlich immer leichter, wenn man erst einmal bei der Firma angestellt ist.«
    »Sie wissen ja, stolz bin ich nicht«, sagte Philip lächelnd.
    »Wenn Sie sich bewerben wollen, müssen Sie morgen um drei viertel neun dort sein.«
    Trotz des Krieges schien es offensichtlich schwer, Arbeit zu finden, denn als Philip in das Büro kam, warteten bereits viele Männer. Er erkannte einige, die er schon auf seiner Arbeitssuche getroffen hatte, und den einen hatte er nachmittags auf den Bänken im Park herumliegen sehen. Philip nahm an, dass er so heimatlos war wie er selbst und die Nächte im Freien zubringen musste. Männer verschiedenster Art waren da, alte und junge, große und kleine; jeder Einzelne hatte für die Vorstellung bei dem Leiter sein Möglichstes getan, um sich herauszuputzen; sie warteten auf einem Flur, der, wie Philip später herausfand, zum Speisesaal und zu den Arbeitsräumen führte. In kleinen Abständen gab es immer wieder fünf oder sechs Stufen. Obwohl im Laden selbst elektrisches Licht war, gab es hier nur Gaslicht, das zum Schutz mit Drahtkäfigen umgeben war und zischend flackerte. Philip hatte sich pünktlich eingefunden; aber es war fast zehn Uhr, ehe er in das Büro eingelassen wurde. Es war ein dreieckiges Zimmer wie eine auf der Seite liegende Käseecke: An den Wänden hingen Bilder von Frauen in Korsetts und zwei Probeabzüge von Plakaten; eines stellte einen Mann im Pyjama dar, schön grün und weiß gestreift, auf dem andern durchpflügte ein Schiff mit vollen Segeln ein azurfarbenes Meer. Auf dem Segel stand mit großen Buchstaben gedruckt: »Mit vollen Segeln in den Ausverkauf.« Die Breitseite des Büros war die Rückwand eines großen Schaufensters, das man gerade dekorierte; einer der Dekorateure kam und ging während der Vorstellung ständig durch das Büro. Der Geschäftsführer las einen Brief. Er war ein blühender Mann, mit aschblondem Haar und großem aschblondem Schnurrbart; von seiner Uhrkette hing ein ganzes Bündel Fußballmedaillen. Er saß in Hemdsärmeln vor einem großen Schreibtisch und hatte ein Telefon neben sich stehen. Vor ihm lagen die Reklameanzeigen des heutigen Tages: Athelnys Werk und Ausschnitte aus Zeitungen, die auf Kartons geklebt waren. Er sah Philip kurz an, sagte aber nichts; er diktierte einem Schreibmaschinenfräulein einen Brief, das vor einem kleinen Tischchen in einer Ecke saß. Dann fragte er Philip nach Namen, Alter und Erfahrung. Er sprach mit Cockney-Akzent; seine Stimme hatte einen hohen metallischen Klang. Er schien sie nicht immer in der Gewalt zu haben. Philip bemerkte, dass er im Oberkiefer große, vorstehende Zähne hatte. Man gewann den

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