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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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Eindruck, als säßen sie alle locker und würden beim geringsten Stoß herausfallen.
    »Ich glaube, Mr.   Athelny hat bereits mit Ihnen über mich gesprochen«, sagte Philip.
    »Ach, Sie sind der junge Bursche, der das Plakat gemacht hat.«
    »Ja, Sir.«
    »Nicht zu gebrauchen, verstehen Sie, für uns überhaupt nicht zu gebrauchen.«
    Er sah Philip von oben bis unten an. Es schien ihm aufzufallen, dass Philip sich in irgendeiner Weise von den Männern, die sich bereits vorgestellt hatten, unterschied.
    »Sie müssen einen Gehrock tragen, verstehen Sie. Wahrscheinlich haben Sie keinen. Sie scheinen ein ordentlicher junger Bursche zu sein. Vermutlich haben Sie herausgefunden, dass die Kunst sich nicht bezahlt macht.«
    Philip wusste nicht recht, ob er ihn wohl anstellen würde oder nicht. Er warf ihm seine Bemerkungen fast feindselig zu.
    »Wo sind Sie zu Hause?«
    »Meine Eltern starben, als ich noch ein Kind war.«
    »Ich gebe jungen Burschen gern eine Chance. Viele laufen herum, denen ich eine Chance gegeben habe, und sie sind heute Abteilungsleiter. Und sie sind mir dankbar, das darf ich wohl sagen. Sie wissen, was ich für sie getan habe. Ganz unten anfangen, nur so lernt man das Geschäft. Und wenn man dabeibleibt, weiß man nie, wohin es noch führen kann. Wenn Sie sich als gut erweisen, können Sie eines Tages eine Stellung einnehmen, wie ich sie habe; denken Sie daran, junger Freund.«
    »Ich werde mein Bestes tun und mir Mühe geben, Sir«, sagte Philip.
    Er wusste, er musste, sooft es nur anging, die höfliche Anrede ›Sir‹ einfließen lassen. Ihm selbst klang es komisch in den Ohren, und er fürchtete fast, er täte des Guten zu viel. Der Leiter redete gern. Es gab ihm ein wundervolles Gefühl seiner eigenen Wichtigkeit. Er eröffnete Philip erst nach langem Reden seine Entscheidung:
    »Tja, ich glaube, man kann’s mit Ihnen mal versuchen«, sagte er schließlich geschwollen. »Jedenfalls habe ich nichts dagegen, es auf eine Probe ankommen zu lassen.«
    »Vielen Dank, Sir.«
    »Sie können sofort anfangen. Ich gebe Ihnen sechs Shilling wöchentlich und freie Unterbringung und Verpflegung. Alles eingeschlossen, verstehen Sie. Die sechs Shilling sind nur Taschengeld, damit können Sie machen, was Sie Lust haben. Sie fangen am Montag an. Ich vermute, das ist ein Vorschlag, gegen den Sie nichts einzuwenden haben werden.«
    »Nein, Sir.«
    »Harrington Street, Sie wissen, wo das ist, Shaftesbury Avenue. Dort schlafen Sie. Nummer zehn. Sie können schon in der Nacht zum Montag dort schlafen, wenn Sie mögen. Das heißt, wie Sie wollen; meinetwegen können Sie Ihre Sachen auch am Montag hinschicken.« Der Leiter nickte abschließend mit dem Kopf: »Guten Morgen.«
    103
     
    Mrs.   Athelny lieh Philip Geld, damit er der Wirtin so viel von seiner Rechnung bezahlen konnte, dass sie seine Sachen freigab. Für fünf Shilling und den Leihschein für einen von ihm verpfändeten Anzug erhielt er einen Gehrock, der ihm einigermaßen passte. Was er sonst noch auf dem Leihhaus hatte, löste er aus. Er schickte seinen Koffer zur Harrington Street und ging am Montagmorgen mit Athelny ins Geschäft. Athelny stellte ihn dem Einkäufer vor und ging dann fort. Der Einkäufer war ein angenehmer, etwas lauter kleiner Mann von dreißig Jahren namens Sampson. Er schüttelte Philip die Hand und fragte ihn, um seine eigenen Kenntnisse, auf die er sehr stolz war, hervorzuheben, ob er Französisch spreche. Er war höchst überrascht, als Philip das bejahte.
    »Sonst noch eine Sprache?«
    »Ja, ich spreche Deutsch.«
    »Oh… Ich fahre selbst gelegentlich nach Paris. Parlez-vous français? Schon im Maxim gewesen?«
    Philip kam in die Kostümabteilung im oberen Stockwerk. Er hatte den Kunden Auskunft zu geben, wo sich die verschiedenen Abteilungen befanden. Es schien eine Menge solcher Abteilungen zu geben – Mr.   Sampson schnurrte sie nur so her. Plötzlich bemerkte er, dass Philip hinkte.
    »Was ist denn mit Ihrem Bein los?«, fragte er.
    »Ich habe einen Klumpfuß«, sagte Philip. »Aber das hindert mich nicht beim Laufen und auch sonst nicht.«
    Der Einkäufer schien das zu bezweifeln, nach seinem Blick zu schließen. Er wunderte sich wahrscheinlich, dass der Leiter diesen jungen Mann angestellt hatte. Philip wusste, dass dieser sein Gebrechen gar nicht bemerkt hatte.
    »Sie werden nicht gleich alle Abteilungen am ersten Tag behalten. Falls Sie unsicher sind, so fragen Sie am besten eine der jungen Damen.«
    Mr.   Sampson

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