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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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einem Restaurant in Boulogne auch nur eine Tasse Kaffee hätte bestellen können. Der Geographieunterricht bestand hauptsächlich darin, dass man die Knaben Karten zeichnen ließ; dies war eine sehr beliebte Beschäftigung, besonders, wenn es sich um gebirgige Länder handelte. Man konnte unglaublich viel Zeit totschlagen bei dem Versuch, die Anden oder die Apenninen zu skizzieren. Die Lehrer, durchwegs in Oxford oder Cambridge ausgebildet, hatten alle die Priesterweihe empfangen und waren unverheiratet; entschloss sich einer zur Ehe, musste er auf seine Stellung verzichten und sich mit irgendeinem kleineren Amt begnügen, welches das Kapitel zu vergeben hatte. Aber seit vielen Jahren hatte keiner von den Lehrern die vornehme Atmosphäre von Tercanbury, die wegen des Cavalry Depots nicht nur eine ekklesiastische, sondern auch eine militärische Färbung hatte, mit dem eintönigen Leben in einer Landpfarre vertauschen wollen, und sie alle waren nun schon Männer mittleren Alters.
    Der Direktor indessen musste verheiratet sein und behielt die Leitung der Schule so lange in der Hand, bis ihn das Alter zu drücken begann. Zog er sich dann in den Ruhestand zurück, so wurde er mit einer weit einträglicheren Pfründe belohnt als die Lehrer und zum Ehrenkanonikus ernannt.
    Ein Jahr vor Philips Eintritt allerdings hatte sich in der Schule eine große Veränderung vollzogen. Geraume Zeit schon war es ein offenes Geheimnis, dass Dr.   Fleming, seit einem Vierteljahrhundert Direktor, allmählich zu taub geworden war, um sein gottgefälliges Amt noch länger auszuüben, und als eine Pfarre in der nächsten Umgebung der Stadt, mit einem Gehalt von sechshundert Pfund jährlich, frei wurde, beeilte sich das Kapitel, sie ihm anzubieten. Mit einem solchen Einkommen konnte er sich sorglos der Pflege seiner kleinen Altersleiden widmen. Zwei oder drei Hilfsgeistliche, die auf Beförderung gehofft hatten, erzählten ihren Frauen, es sei skandalös, eine Pfarre, die einen jungen, starken und energischen Mann nötig hätte, einem Greis zu geben, der nichts von Gemeindearbeit verstehe und sich schon warm gebettet habe; aber das Gemurre des niederen Klerus erreichte die Ohren des Kapitels nicht. Und was die Gemeindemitglieder betraf, so hatten sie in der Angelegenheit nichts zu sagen, und daher fragte sie auch niemand um ihre Meinung.
    Als man sich auf diese Weise Dr.   Flemings entledigt hatte, galt es, einen Nachfolger zu suchen. Das Lehrerzimmer sprach sich einstimmig für die Wahl von Mr.   Watson aus, dem Leiter der Vorbereitungsschule; alle kannten ihn seit zwanzig Jahren, und von seiner Seite hatte man keine unangenehmen Überraschungen zu fürchten. Aber das Kapitel wollte es anders. Zur allgemeinen Verwunderung wählte es einen Mann namens Perkins. Zunächst wusste niemand, wer Perkins war, und sein Name klang nicht gerade vielversprechend; aber noch ehe der erste Schreck überwunden war, kam es zutage: Perkins war der Sohn von Perkins, dem Kurzwarenhändler. Dr.   Fleming teilte es den Lehrern kurz vor dem Mittagessen mit, und man konnte ihm seine Bestürzung deutlich anmerken. Die übrigen Herren verhielten sich während der Mahlzeit schweigsam, und solange die Dienstboten im Zimmer waren, wurde die Angelegenheit mit keinem Wort erwähnt. Dann aber legte man los. Die Namen der Versammelten spielen weiter keine Rolle; doch sei erwähnt, dass ganze Generationen von Schuljungen sie untereinander Sighs, Tar, Winks, Squirts und Pat genannt haben.
    Alle kannten sie Tom Perkins. Als Erstes wurde festgestellt, dass er kein Gentleman war. Sie konnten sich noch genau an ihn erinnern. Er war ein kleiner dunkler Junge mit unordentlichem schwarzen Haar und großen Augen gewesen. Er sah aus wie ein Zigeuner. Er war als Externer in die Schule gekommen, mit dem besten Stipendium, das die Anstalt zu vergeben hatte, so dass ihn seine Ausbildung nichts gekostet hatte. Natürlich war er sehr begabt. Bei jeder Schlussfeier wurde er mit Preisen überhäuft. Er war ihr Paradeschüler, und nun erinnerten sie sich erbittert an ihre Angst, er könnte versuchen, ein Stipendium für eine der größeren Public Schools zu bekommen und auf diese Weise ihren Händen entgleiten. Dr.   Fleming war zu dem Kurzwarenhändler gegangen – alle erinnerten sich an das Geschäft Perkins & Cooper in St.   Catherine’s Street – und sagte, er hoffte, Tom würde bei ihnen bleiben, bis er nach Oxford ginge. Die Schule war die beste Kundschaft von Perkins & Cooper,

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