Der Menschen Hoerigkeit
die für Philip eng mit seiner Kindheit verknüpft waren, und die Trockenhäuser bildeten für ihn eine der typischen Züge der Landschaft Kents. Er hatte keinerlei Gefühl der Fremdheit, als er so hinter Sally durch die langen Hopfenreihen ging; er fühlte sich hier ganz zu Hause. Die Sonne strahlte jetzt herab und zeichnete scharfe Schatten. Philips Augen schwelgten in der Fülle der grünen Blätter. Die Hopfendolden waren leicht gelb getönt, für ihn besaßen sie eine Schönheit und Leidenschaftlichkeit, wie Dichter sie in den purpurnen Trauben Siziliens fanden. Im Weitergehen fühlte sich Philip bald von dem üppigen Reichtum überwältigt. Ein süßer Geruch stieg aus dem fruchtbaren kentischen Boden auf, und die angenehme Septemberbrise war schwer von dem guten Geruch des Hopfens. Athelstan spürte instinktiv die Heiterkeit und begann zu singen; es war die gebrochene Stimme eines fünfzehnjährigen Jungen, und Sally drehte sich um.
»Sei still, Athelstan, sonst kommt ein Gewitter.«
Einen Augenblick später hörten sie Stimmengewirr, und gleich darauf stießen sie auch schon auf die Pflücker. Sie waren alle fleißig an der Arbeit und schwatzten und lachten, während sie pflückten. Sie saßen auf Stühlen, Hockern, Kisten und Kästen und hatten Körbe neben sich stehen. Manche standen bei der Benne und warfen den Hopfen direkt dort hinein. Eine Menge Kinder trieb sich dazwischen herum, sogar Säuglinge waren da, manche lagen in improvisierten Wiegen, andere waren in ein Tuch gewickelt und auf die weiche, braune, trockene Erde gebettet. Die Kinder pflückten wenig und spielten viel. Die Frauen arbeiteten geschäftig, sie waren seit der Kindheit an das Pflücken gewöhnt und konnten doppelt so schnell pflücken wie die Fremden aus London. Sie brüsteten sich mit der Anzahl der Körbe, die sie am Tage gepflückt hatten, klagten jedoch, dass immer weniger Geld damit zu verdienen sei. Damals bekam man einen Shilling für fünf Scheffel, jetzt aber musste man acht, ja neun Scheffel voll pflücken, um einen Shilling zu erhalten. In früheren Zeiten konnte eine gute Pflückerin in der Erntezeit so viel verdienen, dass sie während des übrigen Jahres davon leben konnte; jetzt aber brachte es nichts mehr ein, man hatte sozusagen gratis Ferien, das war alles. Mrs. Hill hatte sich von ihrem Verdienst bei der Hopfenernte ein Klavier gekauft, sagte sie zumindest, aber sie war sehr knapp bei Kasse, und die meisten Leute glaubten, dass sie es erfunden habe; wenn man genauer nachforschte, würde sich wahrscheinlich herausstellen, dass sie etwas von ihren Ersparnissen dazugenommen hatte.
Die Pflücker waren in Gruppen zu je zehn für eine Benne eingeteilt, die Kinder nicht mit eingerechnet. Athelny prahlte laut, dass er eines Tages eine Kolonne haben würde, die nur aus Mitgliedern seiner Familie bestünde. Jede Gruppe hatte einen Bennenmann, dessen Pflicht darin bestand, Hopfenstricke für die Bennen zu beschaffen. (Die Benne ist ein großer Sack, der in einem hölzernen Gestell hängt, über zwei Meter hoch; lange Reihen solcher Bennen wurden zwischen die Hopfenreihen gestellt.) Eine solche Stellung erstrebte Athelny, wenn seine Kinder erst alt genug sein würden, eine eigene Gruppe zu bilden. Inzwischen sah er seine Arbeit eher darin, dass er andere anfeuerte, als dass er sich selbst zu viel zumutete. Er schlenderte mit einer Zigarette zwischen den Lippen zu Mrs. Athelny hin, die bereits eine halbe Stunde lang ununterbrochen tätig gewesen war und schon einen Korb voll in die Benne hatte leeren können, und erklärte, dass er heute mehr pflücken würde als irgendjemand sonst, Mutter natürlich ausgenommen. Dabei fielen ihm die Prüfungen ein, die Aphrodite der neugierigen Psyche auferlegt hatte, und so begann er, seinen Kindern die Geschichte ihrer Liebe zu dem unbekannten Bräutigam zu erzählen. Er erzählte sie sehr gut. Philip schien die alte Erzählung ausgezeichnet zu dieser Szene zu passen. Mit einem Lächeln auf den Lippen hörte er zu. Der Himmel war jetzt sehr blau, und Philip konnte sich nicht vorstellen, dass es anderswo schöner sein konnte, noch nicht einmal in Griechenland. Die Kinder, mit ihren blonden Haaren und rosigen Wangen, stark, gesund und lebhaft; die zarte Form des Hopfens, das leuchtende Smaragdgrün der Blätter, wie das Schmettern einer Trompete; der magische Zauber der grünen Alleen, die sich in der Ferne zu verengen schienen, mit den Pflückern mit den Sonnenhüten auf dem Kopf;
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