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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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die Sonne hatten den Kindern Athelnys bereits die Backen gebräunt. Mrs.   Athelny schien in ihrem großen Sonnenhut ein völlig anderer Mensch zu sein: Die langen Jahre in der Stadt hatten sie im Grunde gar nicht verändert: Sie gehörte zum Land, war hier geboren, hier aufgewachsen; hier fühlte sie sich heimisch, das konnte man leicht erkennen. Sie briet Speck, achtete gleichzeitig auf die kleineren Kinder und hatte doch noch Zeit, Philip herzlich die Hand zu schütteln und ihm fröhlich zuzulächeln. Athelny schwärmte von den Wonnen des ländlichen Lebens.
    »In den großen Städten, in denen wir leben, schmachten wir nach Sonne und Licht. Das ist kein Leben – es ist eine ewige Gefangenschaft. Verkaufen wir alles, was wir haben, Betty, und schaffen wir uns eine Farm auf dem Lande an!«
    »Ich sehe dich schon auf dem Lande«, antwortete sie mit einem Ton gutmütigen Hohns. »Am ersten Regentag im Winter würdest du heulend nach London verlangen.« Sie wandte sich an Philip. »Athelny ist immer so, wenn wir hierherkommen, Landleben – das gefällt mir! Dabei kann er eine schwedische Steckrübe nicht von einer Runkelrübe unterscheiden.«
    »Papa ist faul gewesen heute«, bemerkte Jane mit dem Freimut, der für sie typisch war. »Nicht einmal eine Benne hat er vollgepflückt.«
    »Ich komme in Schuss, mein Kind, und morgen werde ich mehr Bennen füllen als ihr alle zusammen.«
    »Kinder, kommt essen«, sagte Mrs.   Athelny. »Wo ist Sally?«
    »Hier, Mutter.«
    Sie trat aus der kleinen Hütte; die Flammen des Holzfeuers flackerten auf und warfen glühende Farben auf ihr Gesicht. Philip hatte sie in letzter Zeit nur immer in den strengen Kleidern gesehen, die sie anzulegen pflegte, seit sie Lehrmädchen bei einer Schneiderin war. Sie sah reizend aus in dem Kleid aus bedrucktem Kattun, das sie nun trug; es fiel ihr weich um den Körper, ein Kleid, in dem man sich leicht bei der Arbeit bewegen konnte. Die Ärmel waren hochgekrempelt und zeigten ihre starken, rundlichen Arme. Auch sie trug einen großen Sonnenhut.
    »Wie ein Milchmädchen aus dem Märchen sehen Sie aus«, sagte Philip, als sie sich begrüßten.
    »Sie ist die Schönste im Hopfenfeld«, sagte Athelny. »Auf mein Wort: Wenn dich der Gutsbesitzerssohn sieht, macht er dir einen Heiratsantrag, ehe du noch ›bah‹ sagen kannst.«
    »Der Gutsbesitzer hat keinen Sohn, Vater«, sagte Sally.
    Sie sah sich nach einem Platz um, und Philip rückte zur Seite, damit sie sich neben ihn setzen konnte. Sie sah wunderbar aus im Abendlicht beim Lagerfeuer. Sie erinnerte an die ländlichen Göttinnen, frische, kräftige Mädchen, die Harrick in großer Zahl verewigt hat. Das Abendessen war einfach: Brot und Butter, knusprig gebratener Speck, für die Kinder Tee und Bier für Mr. und Mrs.   Athelny sowie für Philip. Athelny aß hungrig drauflos und pries jeden Bissen, den er zu sich nahm. Verächtlich sprach er von Lukullus und hatte nur Schimpfworte für einen Brillat-Savarin.
    »Das muss man dir schon lassen, Athelny«, sagte seine Frau, »essen macht dir Spaß, gar kein Zweifel.«
    »Von deiner Hand gekocht, meine Betty«, sagte er, indem er beredt seinen Zeigefinger in die Höhe streckte.
    Philip fühlte sich sehr behaglich. Glücklich sah er die lange Reihe der offenen Feuer hinab, die Leute, die sich darum scharten, die Flammen gegen den Himmel; hinter der Wiese war eine Allee mit großen Ulmen, darüber breitete sich der Sternenhimmel. Die Kinder schwatzten und lachten, und Athelny – ein Kind unter Kindern – brachte sie durch seine Einfälle immer mehr zum Lachen.
    Sally saß schweigend dabei. Sie achtete so aufmerksam auf alle Wünsche Philips, dass er ganz bezaubert war. Es war schön, sie neben sich zu haben, hin und wieder warf er einen Blick auf ihr sonnengebräuntes, gesundes Gesicht. Einmal trafen sich ihre Blicke, da lächelte sie ihm in ihrer ruhigen Art zu. Nachdem das Abendessen beendet war, wurden Jane und einer ihrer kleineren Brüder zum Bach geschickt, der hinter der Wiese floss, um einen Eimer voll Wasser zum Abwaschen zu holen.
    »Hört mal, Kinder, zeigt eurem Onkel Philip, wo wir schlafen, und dann müsst ihr ins Bett.«
    Die kleinen Hände griffen nach Philip, und er wurde von ihnen in die Hütte gezogen. Er ging hinein und zündete ein Streichholz an. Es gab keine Möbel, außer einer großen Blechkiste für die Kleider standen da nur Betten, drei Stück, eins an jeder Wand. Athelny war ihm gefolgt und zeigte ihm alles voller

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