Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
Vom Netzwerk:
vielleicht war darin mehr griechischer Geist, als man in den Büchern der Professoren und in den Museen finden konnte. Er war dankbar für Englands Schönheit. Er dachte an die sich windenden weißen Straßen und die Heckenreihen, an die grünen Wiesen mit ihren Ulmen, an die zarte Linie der Hügel und an das Unterholz, das sie umrahmte, an das flache Marschland und an die Melancholie der Nordsee. Er war sehr froh, dass er diese Schönheit fühlte. Aber es dauerte nicht lange, da wurde Athelny bereits unruhig und verkündete, er müsse jetzt einmal nachsehen gehen, was Robert Kemps Mutter mache. Er kannte jeden im Garten und nannte sie alle beim Vornamen. Er wusste über ihre Familiengeschichten Bescheid und was sie erlebt hatten vom Tage ihrer Geburt an. Mit harmloser Eitelkeit spielte er den feinen Gentleman unter ihnen. In seiner Vertraulichkeit lag ein Schatten von Herablassung. Philip hatte keine Lust, ihn zu begleiten.
    »Ich will mir mein Essen selbst verdienen«, sagte er.
    »Recht so, mein Junge«, antwortete Athelny und grüßte im Fortschlendern mit einer Bewegung der Hand. »Keine Arbeit, kein Essen.«
    119
     
    Philip hatte keinen eigenen Korb, sondern arbeitete zusammen mit Sally. Jane fand es unerhört, dass er ihrer älteren Schwester half statt ihr, und er musste versprechen, dass er für sie pflücken würde, sobald Sallys Korb voll war. Sally war fast so schnell wie ihre Mutter.
    »Verdirbt es Ihnen nicht die Hände fürs Nähen?«, fragte Philip.
    »O nein, man braucht ja auch hier weiche Hände, deswegen pflücken Frauen so viel besser als Männer. Wenn die Finger hart und steif sind, kann man nicht annähernd so gut pflücken.«
    Er sah ihren geschickten, schnellen Bewegungen gerne zu, und sie beobachtete ihn auch gelegentlich in ihrer mütterlichen Art, die so lustig und doch so reizend war. Er stellte sich zuerst ungeschickt an. Als sie sich hinüberbeugte, um ihm zu zeigen, wie man am besten mit einem ganzen Zweig auf einmal fertig wird, trafen sich ihre Hände. Es überraschte ihn, dass sie dabei errötete. Er konnte sich noch immer nicht so recht an den Gedanken gewöhnen, dass sie zur Frau herangereift war; er hatte sie als Backfisch kennengelernt und nahm sie noch immer als Kind wahr. Die vielen Verehrer bewiesen allerdings, dass sie kein Kind mehr war, und obwohl sie nun erst seit ein paar Tagen hier unten waren, erwies ihr einer der Vettern eine solche Aufmerksamkeit, dass man sie bereits deswegen neckte. Er hieß Peter Gann und war der Sohn von Mrs. Athelnys Schwester, die einen Farmer in der Nähe von Ferne geheiratet hatte. Jeder wusste, warum er es auf einmal für notwendig hielt, täglich durch das Hopfenfeld zu wandern.
    Ein Horn tutete um acht Uhr und verkündete die Frühstückspause. Sie aßen alle mit herzhaftem Appetit, obwohl Mrs.   Athelny meinte, sie hätten es noch nicht verdient. Danach machten sie sich wieder an die Arbeit und pflückten bis zwölf, als das Horn zum Mittagessen blies. In gewissen Abständen ging der Abmesser mit der Waage von Benne zu Benne. Ein Mann begleitete ihn, der erst in sein eigenes, dann in das Buch des Pflückers die Anzahl der gepflückten Scheffel eintrug. War eine Benne voll, so wurde sie mit Scheffelkörben gemessen, die in einen riesigen Sack entleert wurden, der Poke hieß. Diesen trugen die Abmesser und der Mann, der die Hopfenstangen umlegte, zum Wagen. Athelny erschien gelegentlich und teilte mit, was Mrs.   Heath oder Mrs.   Jones bereits gepflückt hatten; er feuerte seine Familie an, sie zu übertrumpfen. Immerzu wollte er Rekorde aufstellen. Es kam sogar vor, dass er dann aus lauter Begeisterung selbst einmal eine Stunde lang pflückte. Seine Hauptfreude bestand dabei jedoch darin, dass er so seine schönen Hände zeigen konnte, auf die er so stolz war. Er brachte viel Zeit damit zu, sie zu pflegen. Er erzählte Philip, indem er seine schmal zulaufenden Finger ausstreckte, dass die spanischen Granden mit geölten Handschuhen zu schlafen pflegten, um die Haut weiß zu halten. Die Hand, die Europa die Kehle zudrückte, bemerkte er dramatisch, war feingliedrig und gepflegt wie die einer Frau; und er blickte auf seine eigene, als er gemessen die Dolden pflückte, und seufzte auf vor Zufriedenheit mit sich selbst. Wenn er dessen müde wurde, drehte er sich eine Zigarette und begann mit Philip über Kunst und Literatur zu sprechen. Am Nachmittag wurde es sehr heiß. Die Arbeit wollte nicht mehr so schnell von der Hand gehen, und die

Weitere Kostenlose Bücher