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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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abfinden müssen, kein Gentleman zu sein«, sagte Weeks. »Ich verstehe nicht, warum Sie so überrascht waren, dass ich ein Dissident bin.«
    »Ich habe keinen ganz klaren Begriff davon, was ein Unitarier eigentlich ist«, lenkte Philip ein.
    Weeks legte in seiner wunderlichen Art nachdenklich den Kopf zur Seite. Beinahe erwartete man, er würde anfangen zu zwitschern.
    »Ein Unitarier zweifelt ernsthaft an nahezu allem, was alle anderen glauben, und hat einen sehr festen und stärkenden Glauben an – ja, woran wohl? Er weiß es selbst nicht genau zu sagen.«
    »Ich begreife nicht, warum Sie sich über mich lustig machen«, war Philips Antwort. »Meine Frage war ernst gemeint.«
    »Lieber Freund, ich mache mich nicht lustig über Sie, ich bin nach Jahren schwerer Arbeit und ernsthaftesten Nachdenkens zu dieser Definition gelangt.«
    Als Philip und Hayward aufstanden, um zu gehen, gab Weeks Philip ein kleines Buch in einem Papiereinband.
    »Ich nehme an, dass Sie mittlerweile schon genügend Französisch können, um zu lesen. Vielleicht wird Ihnen dieses Buch Freude machen.«
    Philip dankte ihm und besah sich den Titel. Es war Renans Vie de Jésus.
    28
     
    Weder Hayward noch Weeks ahnte, dass die Gespräche, mit denen sie sich einen freien Abend vertrieben, später in Philips eifrigem Hirn weiterwirkten und hin und her gewälzt wurden. Nie wäre er auf den Gedanken gekommen, dass man über Religion überhaupt diskutieren konnte. Religion war für ihn gleichbedeutend mit der Kirche von England, und nicht an deren Grundsätze zu glauben war ein Zeichen von Böswilligkeit, der irdischen oder künftigen Strafe gewiss.
    Er hegte einige Zweifel an der Bestrafung Ungläubiger. Es konnte sein, dass ein gnädiger Richter das Feuer der Hölle für die Heiden – Mohammedaner, Buddhisten und den Rest – aufsparte, Dissidenten und Römisch-Katholische aber nachsichtig behandeln würde (allerdings um den Preis einer tiefen Erniedrigung, wenn sie ihren Irrtum einsehen mussten!), und es könnte auch sein, dass er sich derer erbarmen würde, die keine Gelegenheit gehabt hatten, die Wahrheit kennenzulernen – dies wäre nur billig, obwohl es aufgrund der Missionsarbeit nur wenige geben konnte, die unter solchen Bedingungen lebten; aber wenn sie die Gelegenheit gehabt und sie nicht genutzt hatten (was bei Dissidenten und Römisch-Katholischen offensichtlich der Fall war), war die Strafe sicher und verdient. Es war klar, dass der Zweifler sich in einer schlimmen Lage befand. Vielleicht war Philip dies alles nicht mit so vielen Worten gelehrt, aber sicherlich war ihm der Eindruck vermittelt worden, dass nur die Mitglieder der Kirche von England berechtigte Hoffnung auf die ewige Glückseligkeit hatten.
    Unter anderem war Philip mit Nachdruck beigebracht worden, dass der Ungläubige ein böser und lasterhafter Mensch sei, aber Weeks, der so gut wie nichts von dem glaubte, was Philip unantastbar schien, führte ein Leben christlicher Reinheit. Philip hatte in seinem Leben nur wenig Güte erfahren und war gerührt von der Hilfsbereitschaft des Amerikaners: Als ihn einmal eine Erkältung drei Tage lang ans Bett gefesselt hatte, hatte Weeks ihn gepflegt wie eine Mutter. Er war weder lasterhaft noch verrückt, sondern äußerst aufrichtig und ein Menschenfreund. Es war also offenbar möglich, nicht zu glauben und dennoch tugendhaft zu sein.
    Desgleichen war Philip der Ansicht gewesen, dass nur Starrköpfigkeit oder Eigennutz die Menschen dazu bewegen konnte, sich anderen Glaubensrichtungen anzuschließen: In ihrem Inneren wussten sie, dass sie treulos waren; sie waren darauf aus, die anderen zu betrügen. Jetzt hatte er sich – der deutschen Sprache wegen – angewöhnt, sonntagvormittags dem lutherischen Gottesdienst beizuwohnen, aber als Hayward kam, begann er diesen in die katholische Messe zu begleiten. Es fiel ihm auf, dass die protestantische Kirche beinahe leer war und die Gemeindemitglieder teilnahmslos dreinsahen, während die Jesuitenkirche überfüllt war und die Andächtigen mit ganzem Herzen zu beten schienen. Sie wirkten nicht wie Heuchler. Er war über diesen Gegensatz überrascht, denn er wusste sehr gut, dass die Lutheraner, deren Glaube der Kirche von England näherkam, daher auch der Wahrheit näherstanden als die Katholiken. Die überwiegende Mehrzahl der Männer – die Gemeinde war zum großen Teil männlich – waren Süddeutsche; und er musste sich eingestehen, dass er wahrscheinlich auch Katholik geworden wäre,

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