Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
Jan Møller unterhalten, der sich im Nazimilieu herumtreibt.«
|324| »Ja, sehr gerne sogar. Habt ihr ihn?«
»Das kann man so sagen. Er scheint sich seit einer Weile hier oben in einem Sommerhaus in Løkken aufgehalten zu haben.«
»Und wie haben Sie ihn entdeckt?«
»Och, das war gar nicht so schwer. Er hatte kein Geld mehr und hat versucht, eine Tankstelle zu überfallen. Aber er hat vom Tankwart ordentlich eins auf die Mütze bekommen. Und das Ganze ist auch auf einem Videotape festgehalten worden. Dieser Idiot hatte sich noch nicht mal was übers Gesicht gezogen. Wird der nicht wegen Totschlags an seiner Freundin gesucht?«
»Doch, dafür auch.«
Wagner musste ein weiteres Mal an Dicte Svendsen denken. Sie hatte drei Namen aufgezählt, die alle der rechtsextremen Szene zuzuordnen waren. Mit ein bisschen Glück war das der erste Schritt, um das mysteriöse Verschwinden von Arne Bay und damit vielleicht auch den Mord an Mette Mortensen aufzuklären. Zum ersten Mal an diesem Tag huschte ein Lächeln über sein Gesicht.«
»Dafür auch«, wiederholte er.
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Kapitel 48
Kiki schaltete den Motor aus und lauschte in die Stille. Es war schon spät und ziemlich dunkel für die Jahreszeit. Eine dichte Wolkendecke hatte sich vor das Mondlicht geschoben, die Büsche und Bäume waren nur schwarze Schatten.
Ein Rettungswagen fuhr ohne Blaulicht vor die Notaufnahme, Sanitäter stiegen aus, und sie hörte das Aufgleiten von Schiebetüren. Das erinnerte sie an den schwarzen Kastenwagen.
Die Spannung jagte ihr ein Kribbeln über den Rücken, als sie die Pistole aus der Tasche nahm und sie sich in die Jackentasche |325| steckte. Da lag bereits eine kleine Taschenlampe, die nicht viel größer war als ein Bleistift.
Er hatte ihr mit Hilfe des Codes genauestens beschrieben, was sie tun sollte. Sie hatte sich das Tunnelsystem eingeprägt, so dass sie den Weg auch mit verbundenen Augen gefunden hätte. Sie wusste, welchen Weg sie nehmen musste, um nicht entdeckt zu werden.
Ohne Schwierigkeiten fand sie den Eingang. Ehe sie sich versah, stand sie wieder in jener unterirdischen Welt, die sie als Kind als so schrecklich erlebt hatte. Alles schien ganz einfach. Jeder könnte in die Tiefe hinabsteigen und sich in dem Tunnelsystem bewegen, das viele Abzweigungen hatte und alle Gebäude des Krankenhauskomplexes miteinander verband. Es gab eine Hauptverkehrsstraße, die sich unter dem gesamten Komplex durchzog. Einige der Tunnel waren alt, andere blind, sie wurden nicht mehr verwendet. Andere waren so breit wie Landstraßen und waren tagsüber rege befahren. Aber jetzt war es kurz vor Mitternacht, und alles war totenstill.
Sie kam an Kreuzungen vorbei, an denen Vorfahrtslinien vor Gegenverkehr warnten. Ab und zu passierte sie Kurven, an denen die Ecken einfach abgefahren waren, weil jemand mit zu hoher Geschwindigkeit abgebogen war. Der Untergrund wurde hauptsächlich für den Transport von Lagerbeständen, Wäsche und Medizin benutzt. Die Technischen Abteilungen und Installateure verkehrten hier unten und verwendeten Fahrräder oder Mopeds, um schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen.
Die Sohlen ihrer Turnschuhe machten keine Geräusche auf dem gelben Fliesenboden, aber in dem grellen Neonlicht war sie sehr deutlich zu sehen und lief deshalb so schnell sie konnte. Stunden hatte sie darüber gegrübelt, wie sein Plan aufgehen sollte, und hatte schließlich eingesehen, dass der Ausgang der ganzen Geschichte nicht vorherzusagen war. Nichts war sicher, alles konnte passieren. Aber das war für sie in Ordnung.
Natürlich wollte sie überleben. Nicht so sehr, weil ihr Leben |326| so großartig war, sondern aus sportlichem Ehrgeiz. Es war wie ein Marathon; die lange Etappe erstreckte sich vor ihr, und sie wollte sie bezwingen. Am Ende winkte die Medaille.
Endlich hatte sie ihren ersten Haltepunkt erreicht, vorbei an ausrangierten Computern, geparkten elektrischen Rollstühlen und Schildern, die den Weg zum Patientenhotel, zum Wäscheraum und zur Kantine wiesen. »Kittelzentrale« stand an der Tür. Sie war geöffnet. Seinen Informationen zufolge wurde die Kittelzentrale um 24 Uhr geschlossen. Jetzt war es 23:30 Uhr und kein Mensch weit und breit zu sehen. Sie betrat den Raum. In den Regalen stapelten sich Kleidungsstücke, weiße und grüne Kittel. Es roch nach Waschmittel. Sie wusste, dass sich hier Krankenschwestern, Ärzte, das technische Personal, und wer sonst noch in einem Krankenhaus beschäftigt war, ihre
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