Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
Richtung der Cafés am Ufer des Flusses.
Sie blieb gegen die Mauer gelehnt stehen. Ihr Herz hämmerte, und der ganze Körper schmerzte von der Erniedrigung. Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein!
Sekunden später war der Ort von Leben erfüllt. Eine Gruppe von Teenagern kam kichernd und quatschend die Treppe hinunter, auf dem Weg zu den Kneipen. Schnell fasste sie einen Entschluss und folgte ihnen, obwohl ihre Beine zitterten. Sie konnte ohne Schwierigkeiten das weiße T-Shirt unter den anderen Besuchern der Lokale ausmachen. Dieses Mal hielt sie einen größeren Abstand und stoppte ebenfalls, als er bei einer |113| Bierbank stehen blieb und ganz offensichtlich seine Freunde gefunden hatte, mit denen er möglicherweise verabredet gewesen war. Sie konnte nicht nah genug herankommen, um alles zu sehen. Aber sie meinte zwei junge Männer in kurzen schwarzen Jacken erkennen zu können, von denen der eine dem Neonazi Martin Brøgger ähnelte, den sie auf den Aufnahmen bei Frederik Winkler gesehen hatte.
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Kapitel 17
»Kuchen? Wer hat denn heute Geburtstag?«
Träge legte Ivar K seinen Kopf in den Nacken, verdrehte die Augen und zeigte zu Jan Hansen, der strahlte wie ein Lottogewinner in der Fernsehreklame.
»Er hat seine Frau dick gebumst.«
Niemand schien sich an der etwas einfallslosen Bildersprache zu stören, am wenigsten Jan Hansen, der Ivar K fast liebevoll anlächelte.
»Es wird ein Junge«, erzählte er Wagner mit so etwas wie Freudestrahlen in den Augen. »Ich kann das spüren.«
»Herzlichen Glückwunsch.«
Wagner setzte sich zu den anderen und ertappte sich bei dem Gedanken, ob Hansen wohl Elternzeit nehmen würde, wenn das Kind zur Welt kam. Das war mittlerweile so modern geworden, aber eines stand fest, dass es das Letzte wäre, was sie gebrauchen konnten, mit der dünnen Personaldecke seit der letzten Polizeireform. »Aller guten Dinge sind vier?«
Er meinte Kamilla und ihre Zwillingsschwestern damit, alles Mädchen. Kein Zweifel. Er gönnte Jan Hansen einen Verbündeten in dem Hühnerstall zu Hause, obwohl es ein sehr geliebter Hühnerstall war. Aber vier Kinder waren wirklich ein Projekt.
|114| Hansen nickte. Offensichtlich war es eine geplante Schwangerschaft gewesen. Hansens Frau tat nichts unüberlegt. Sie war Krankenschwester und streng wie ein Feldwebel. Sie hatte ihren Mann dort, wo sie ihn am liebsten hatte: unter ihrer Fuchtel.
Die Crew setzte sich im Besprechungsraum auf ihre Stammplätze, und Kuchen und Kaffee machten ihre Runde.
»Wir wollen das Nabelschnurblut einfrieren lassen«, sagte Hansen schwärmerisch. »Sie sagen, das sei die Zukunft.«
Ivar K schenkte sich Kaffee ein und verschüttete ein wenig.
»Nepper, Schlepper, Bauernfänger, wenn ihr mich fragt«, sagte er und schlürfte den verschütteten Kaffee aus der Untertasse, während die Tasse Ränder auf der Tischplatte machte. »Das ist der reinste Betrug. Das Zeug werden wir vielleicht in zweihundert Jahren verwenden können.«
Eriksen meinte sich erinnern zu können, dass ein einheimischer Privatier, ein Claes Bülow, so eine Firma gegründet hatte.
»Da scheint was dran zu sein«, sagte er. »Aber muss man nicht eigentlich vom Gesundheitsamt eine Zulassung haben, um so eine Firma zu gründen? Man kann doch nicht einfach den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen, ohne dass es Sinn macht?«
Seine Kollegen starrten ihn an, als hätten sie sich verhört.
»Sag mal, wo hast du denn die letzten fünfzig Jahre gelebt?«, fragte Arne Petersen, der etwa so alt war wie Eriksen.
»In Esbjerg«, warf Kristian Hvidt ein, der Jüngste der Mannschaft. Eigentlich hätte Kristians Frau als Nächste schwanger werden sollen, dachte Wagner.
Eriksens Familie stammte aus Esbjerg, und alle Mitglieder waren bei der Polizei gelandet. Ein Cousin hier, ein Bruder dort. Eriksen hatte fast das ganze Land mit Familienmitgliedern abgedeckt, sollte er einmal in die Verlegenheit kommen, einen Strafzettel für zu schnelles Fahren zu bekommen. Obwohl das heutzutage gar nicht mehr möglich war, dachte Wagner, ganz frei von Nostalgie. Mit Hilfe der modernen Datensicherung, |115| deren Details man nicht ohne Weiteres löschen konnte, war diese Art kollegialer Dienste nahezu unmöglich geworden.
Wagner betrachtete seine Crewmitglieder und ließ sie eine Weile Smalltalk machen. Er hatte nie einen dieser Managerkurse besucht, allein das Wort verursachte ihm Übelkeit. Er hatte seine Methode, das Schiff zu steuern. Dazu gehörte es, der
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