Der Meuchelmord
etwas von dir«, sagte sie. »Wie geht's in der Wall Street?«
»Weiß ich nicht.« Matthews zuckte die Achseln. »Ich bin von Hannings weggegangen, weil mich das Geld langweilt. Zumindest das Geldverdienen. Ich bin jetzt ein Diener des Staates.«
»Was du nicht sagst!« Elizabeth lehnte sich mit spöttischem Lächeln zurück. »Du bist doch nicht etwa beim Friedenscorps gelandet?«
»Nein, bei der Steuerfahndung. Ich bin auf der Jagd nach Steuerflüchtigen.«
»Das kann doch nur ein Witz sein«, sagte sie. »Du ein Steuerbeamter? Ausgeschlossen!«
»Es stimmt aber. Bis jetzt wechsele ich nur das Kohlepapier aus, aber wenn alles gutgeht, darf ich demnächst sogar Farbbänder wechseln. Das ist übrigens ein weiterer Grund, weshalb ich dich sprechen wollte, Liz. Mein Chef befaßt sich gerade mit einigen der überseeischen Interessen aus dem Nachlaß deines Vaters. Tut mir leid, daß ich das erwähnen muß, aber bei einer Hinterlassenschaft von zehn Millionen Dollar kann die Sache manchmal kompliziert werden. Hast du überhaupt gewußt, daß er ausländischen Besitz hatte?«
»Nein«, antwortete Elizabeth. »Aber warum wendest du dich nicht an meine Rechtsanwälte? Die kümmern sich um alles.«
»Mein Chef meint, es ginge schneller, wenn er dich einmal persönlich sprechen könnte.«
»Du wirst doch nicht etwa andeuten wollen, daß es hier eine Steuerschiebung gegeben hat?«
»Natürlich nicht, es gibt da nur einige Dinge, die wir nicht ohne weiteres klären können. Sieh mal, Liz, ich will es dir offen sagen: Ich habe verraten, daß ich dich ganz gut kenne. Mein Chef will dich sprechen, und da konnte ich die Klappe nicht halten und erklärte mich bereit, ein Rendezvous zu arrangieren. Wenn du ihn mal anrufst, werde ich vielleicht bald zum Farbbandwechsler befördert. Tust du mir den Gefallen?«
»Na schön«, sagte sie. »Wenn du dir unbedingt die Finger schmutzig machen willst … Wer ist denn dein Chef überhaupt?«
»Er heißt Leary«, antwortete Matthews. »Ein netter Kerl, er wird dir bestimmt gefallen.«
»Du und Steuerbeamter – das leuchtet mir einfach nicht ein. Das ist ein so seriöser Beruf!«
Er hatte wieder sein altes lausbübisches Lächeln aufgesetzt. »Keine Sorge, privat bin ich immer noch der gleiche Windhund. Du willst es dir also wirklich nicht anders überlegen und mit mir essen gehen?«
»Tut mir leid.« Sie hob die Hand. »Ich bin schon verabredet, ich lasse Freunde nicht gern warten.«
»Was zum Teufel soll das heißen – da ist niemand?«
Kings Stimme wurde lauter. Er war am späten Abend aus Europa zurückgekommen. Die Woche in Frankfurt hatte ihm Spaß gemacht, obgleich er die Deutschen nicht mochte. In den letzten fünfzehn Jahren hatte er sich sehr an sein bescheidenes Verlagsimperium gewöhnt. Aber er war müde. In London hatte es wegen eines Maschinenschadens einen dreistündigen Aufenthalt gegeben, und er hatte für den Rest des Fluges kein Auge mehr zugetan. Zu Hause angekommen, ließ er sich zuerst in ein heißes Bad sinken, dann genehmigte er sich einen doppelten Whisky, und schließlich rief er seinen Verbindungsmann an, um zu kontrollieren, ob mit Keller alles in Ordnung war. Es waren noch drei Wochen Zeit, und er wollte nur sichergehen, daß Keller zufrieden war und in keine Schwierigkeiten geriet. Der Anruf war mehr eine Routineangelegenheit. Als er dann die vereinbarte Frage nach seinem Freund aus Übersee stellte, der hoffentlich mit der Unterbringung zufrieden sei, war er ganz und gar nicht auf die Antwort gefaßt.
»Er ist überhaupt nicht gekommen.« Der Mann am anderen Ende der Leitung war seit zwei Wochen fast verzweifelt. Seine Aufgabe hatte darin bestanden, Keller zu übernehmen, sobald er in der Pension an der 39. Straße erschienen war. Aber er kam nicht, und da es unter allen Umständen verboten war, King in Deutschland zu benachrichtigen, konnte der Mittelsmann während seiner Abwesenheit nichts unternehmen. Er hatte festgestellt, daß Maggio von einem Lastwagen überfahren worden war, und wußte nun wenigstens, an welcher Stelle die Kette abgebrochen war. Das versuchte er King zu erklären.
»Sie kennen doch meinen Chauffeur?«
›Chauffeur‹ war eine vereinbarte Codebezeichnung.
»Ja.« King erstarrte. Herrgott, wenn man ihn verhaftet hatte! Er war nie sehr glücklich dabei gewesen, einen Gauner vom Schlage eines Maggio einzusetzen, aber für diesen Teil der Operation war er nicht verantwortlich. Diese Sektion befehligte ein anderer. Er
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