Der mieseste aller Krieger - Roman
sie und sprangen freudig an ihr hoch. Lachend strich sie ihnen über das Fell, fast hätte man meinen können, dass sie sich mehr über das Wiedersehen mit den Hunden als mit mir freute. Zugegebenermaßen veranstalte ich auch nicht so ein Begrüßungsspektakel wie die Vierbeiner.
Copiapó-Paitanás, Mai-September 1939
Während der letzten Tage ihres Lebens legten Sofanor und die Inglesa endlose Kilometer zu Pferd an der Seite der Lorenzona zurück. Es heißt, das Mordsweib sei vornübergebeugt geritten, ihre große Hand auf den staubigen, verschwitzten Bug der Stute gestützt, die sie in Iquique gekauft hatte, und die sie ununterbrochen antreiben musste, da das Tier angesichts dieser Masse Mensch auf seinem Rücken kaum Schritt halten konnte mit den beiden anderen.
Bevor sie in die unwegsamen Gegenden in den Wüstenbergen gelangten, die sie abschirmten, hatte die Inglesa sich in Antofagasta noch ein scharlachrotes Satinkleid gekauft und, um ihrer Garderobe den letzten Schliff zu geben, lange weiße Handschuhe und Schlangenlederstiefel. Bei der Durchsicht ihres Schmucks beklagte sie mit Engelsmiene das Fehlen eines Diadems, das sich gut in Kombination mit den drei viktorianischen Ringen gemacht hätte, die Sofanor aus dem Tresor zusammengeklaubt hatte. Die Inglesa kannte sich in den Schlafkabinen der Kapitäne bestens aus, und ich kann mir vorstellen, dass dies meinem Kumpel einiges Kopfzerbrechen bereitete.
Elf Monate lang hatte er die Inglesa nicht gesehen und verstand nicht, warum er plötzlich ihre Brüste nicht mehr küssen durfte. Um nicht zu sagen: Es ärgerte ihn maßlos. Die Inglesa wiederum fand es nicht im Geringsten komisch, dass er über all die Zoten lachte, die die Lorenzona von sich gab. Und als ein schwarzer Aasgeier im Vorbeifliegen seinen Schatten auf die Gesichter der beiden Frauen warf, schwante Sofanor erst recht nichts Gutes.
Als sie den geplanten Unterschlupf erreichten, eine aus Holzlatten zusammengenagelte Hütte, verkündete die Lorenzona, sie werde draußen nächtigen. Unter einem Wellblechdach bettete sie ihren üppigen Körper und sank, bis zum Hals in eine Decke gehüllt, den Blick auf unzählige Sterne gerichtet, in tiefen Schlaf.
Sofanor ließ sich todmüde auf eine Pritsche fallen, wo sich seine Erschöpfung umgehend in lautem Schnarchen Luft machte, was die Inglesa um ihren Schlaf brachte. Fast eine ganze Stunde hatte sie im Bad zugebracht, um sich heimlich die Milch aus ihren Brüsten zu pumpen, und wie sie nun neben Sofanor lag, konnte sie trotz der Müdigkeit nicht einschlafen. Die Hitze bereitete ihr nicht nur Schwindel, sondern verursachte ihr auch Ausschlag an Armen und Beinen. Energisch versuchte sie meinen Freund wachzurütteln, um ihm von ihrem Geheimnis zu erzählen, doch Sofanor drehte sich lediglich auf die andere Seite und kehrte ihr den Rücken zu. Ich glaube, da begann die Inglesa in ihrer Schlaflosigkeit wild drauflos zu phantasieren, mein Kumpan und die Lorenzona hätten eineRomanze gehabt und führten sie hinters Licht. Sie hörte sein Schnarchen und hasste ihn, weil er solch ein Idiot war. Die Polizei war hinter ihnen her, aber er und die Alte mit ihren grauenvollen Bartstoppeln schliefen seelenruhig. Sofanor hatte ihr oft genug versichert, dieses Weibsbild sei ihm eine wichtige Stütze, sie sei wie eine Schwester für ihn.
»Na, dann zieh doch mit deiner hübschen Schwester los!«, warf sie ihm an den Kopf, mit besonderer Betonung auf dem Wort »hübsch«.
In jener Nacht musste die Inglesa pausenlos an den Rubin aus dem Beutegut denken, den die Lorenzona beanspruchte. Ihre Eifersucht hatte sich derart gesteigert, dass sie sich vornahm, der Alten alles wegzunehmen, was ihr etwas wert war. Sie musste Sofanor auf die Probe stellen, um herauszufinden, wie sehr er sie liebte, und als sie endlich einschlief, träumte sie davon, wie perfekt der Rubin zu ihrem Satinkleid und den Schlangenlederstiefeln passte.
Am nächsten Morgen gab es Ziegenmilch und Rühreier zum Frühstück. Sie beschlossen, sich rasch wieder auf den Weg zu machen, die Nachricht von dem Überfall auf das englische Schiff hatte sich sicher schon wie ein Lauffeuer durch die Dörfer verbreitet. Tagelang ritten sie, bis die Tiere vor Erschöpfung schnaubten. Der Hunger trieb sie so weit, dass sie unterwegs mit neidvollem Blick in der Ferne ein paar wilde Hunde beobachteten, die wütend über einen Kadaver herfielen, ohne dass man zweifelsfrei erkennen konnte, ob es sich um einen menschlichen
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