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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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darin sah er aus wie einer dieser Gläubiger, die nach Copiapó kamen, um mit den Minenbesitzern zu reden. Er hatte jedenfalls Lust, sich gleich ins Vergnügen zu stürzen, während die Inglesa ihm unmissverständlich klarmachte, dass sie den Rummel auf den Straßen nicht ausstehen konnte. Sie blieb fast eine Stunde im Bad, machte sich frisch, pumpte die Milch aus ihren Brüsten ab – keiner erfuhr je, ob sie zu diesem Zeitpunkt noch die Absicht hatte, ihn irgendwie an dem Mädchen, das sie zur Welt gebracht hatte, teilhaben zu lassen, ob sie Heiratspläne oder dergleichen hegte. Mit dem scharlachroten Satinkleid trat sie wieder ins Zimmer und legte sich allen Schmuck an, den sie erbeutet hatten. Sofanor atmete schwer, als er sie so erblickte, ihm war, als nahte eine Königin.
    Draußen hatte sich indes auf der endlosen Landstraße, und auch rund um die Gold- und Silberminen, ein großer Korso aus Karren mit Lebensmitteln und Getränken, singenden Frauen und Drehorgeln gebildet. Man tanzte die Zamacueca zur Blasmusik und pries lauthals alle möglichen Waren an. Auf einem seiner Rundgänge kaufte Sofanor den Rosenstrauß – und vermutlich auch das Grammophon, das der Mistkerl mir schenkte, als er mich Tage später im Arche Noah besuchte, um mir den Wecker abzuluchsen.
    Derweil führte die leiseste Berührung ihrer Brüste bei der Inglesa zur totalen Verweigerung, und Sofanor musste alle Register ziehen – er flüsterte beruhigend auf sie ein,ich werde dir nichts tun, mein kleines unbezähmbares Raubkätzchen, vertrau mir –, um ihr wenigstens das Kleid ein wenig hochschieben zu dürfen. Er ahnte ja nicht, dass ihre Weigerung damit zu tun hatte, dass sie zwei Monate zuvor die Tita zur Welt gebracht hatte.

Arche Noah, 1954
    Sie zogen quer durch Paitanás, von Nord nach Süd, über die verlassenen Straßen, auf denen nur noch wenige Kumpel unterwegs waren. Ein Kommando, das sich auf dem Weg zu López-Cuervo II befand. Sein Einzug ins Dorf blieb natürlich nicht unbemerkt, vor allem, weil sich das Verhalten der Soldaten deutlich von dem der Strolche mit den Sandalen oder der Pampinos unterschied, die bei uns einkehrten. Die Soldaten waren Nachtschwärmer und Despoten. Sie taten so, als stünden sie über uns und hätten die Macht, nach Lust und Laune mit unserem Leben zu spielen.
    López-Cuervo II ergriff sogleich für sie Partei. Er gewährte ihnen Unterschlupf in einem der Bahnhofssäle und schickte ein Telegramm an die Militärverwaltung in Santiago. Nachdem er Schützenhilfe von ihnen bei den Manövern am Bahnhof erhalten hatte, durften sie ihr Unwesen treiben, wie es ihnen beliebte – so auch im Arche Noah .
    Ich stand hinter der Theke, als ich das Gegröle von der Straße her vernahm. Wenig später fielen sie lärmend ein, ohne mich zu grüßen, wie es sonst alle taten, wenn sie mich hinter dem Tresen sahen. Für sie stand fest: Sie warenhier die Chefs. Einige Pampinos verließen das Lokal lieber, als sich mit diesen Soldaten anzulegen, die auf Streit aus zu sein schienen. Die Chola, die Ela und die Cufina waren entsetzt über die Neuankömmlinge und gingen mit gezwungenem Lächeln auf sie zu, um ihre Reize feilzubieten. Nachdem sie ihnen ihre Getränke serviert hatte, verschwand die Trinidad sofort hinter einem Vorhang. Die Ela verzog angewidert das Gesicht, und die Cufina schüttelte ihr altes, langhaariges Haupt.
    In dem Moment rieb ich mir noch die Hände bei der Aussicht, ordentlich Kasse zu machen. Außerdem glaubte ich, ich weiß nicht warum, die groben Kerle würden nur an dem einen Abend vorbeikommen. Doch meine Mädchen, die Chola, die Ela und die Cufina, ließen sich kaum anrühren und protestierten, sobald einer der Soldaten ihnen zu nahe kam.
    »Samu, Samu«, rief die Trini mit besorgter Miene, »ist dir klar, wer diese ungehobelten Schweine sind?«
    Einige der Kerle rissen schlüpfrige Witze, als sie sich das Kleid richtete. Doch sie ließ sich nicht einschüchtern und sagte, dass sie es seien, die die Bevölkerung von La Caro in Santiago drangsalierten. Und alle lachten. Alle, außer der Trini, der die Tränen über die Wangen liefen. Ich wusste nicht, was in der Hauptstadt vorgefallen war, bis sie mich aufklärte, dass die Kadetten der Infanterieschule von San Mastín im Stadtteil La Caro über tausendfünfhundert arme Schlucker hergefallen waren und sich unter den sechs Toten auch ein zehnjähriger Junge und einsechzehnjähriges Mädchen befanden. Ich lebte wirklich auf der Arche Noah , die

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