Der mieseste aller Krieger - Roman
odereinen tierischen handelte. Endlich in Copiapó, erfrischten sie sich am Brunnen auf dem Platz und besprachen, wie sie die restliche Beute aufteilen sollten. Da ergriff die Inglesa das Wort und warf ihre Forderung in die Runde.
»Ich will den Rubin«, verlangte sie entschlossen, so als duldete sie keinen Widerspruch.
In einer der vorherigen Nächte hatte sie, weniger wegen der Milch, die sie in den Fieberwahn trieb, als wegen ihrer Eifersucht, davon geträumt, dass Sofanor und die Lorenzona mitsamt der Beute verschwanden und sie in der Wüste zurückließen. Wutentbrannt war sie aus dem Schlaf aufgeschreckt, sie wusste nicht, was ihr mehr zusetzte: der pekuniäre oder der emotionale Betrug. Sofanor atmete tief durch und übte sich in Geduld. Er wusste, dass es ihr darum ging, die Lorenzona zu ärgern, und dass er den Streit würde schlichten müssen.
»Aber vor ein paar Tagen habe ich doch gesagt, dass mir der Rubin gefällt«, protestierte die Lorenzona.
»Das heißt noch lange nicht, dass du ihn auch bekommen wirst«, sagte die Inglesa schnippisch.
»Dich habe ich nicht einmal sagen hören, dass er dir gefällt«, klagte die Lorenzona.
»Na und? Dann habe ich es eben jetzt gesagt.«
Sosehr sie in Hinblick auf ihre körperliche Kraft und Erscheinung als Frau einzigartig war, unterlag die Lorenzona der anderen doch haushoch in punkto weiblicher List. Genervt von der Dreistigkeit seiner englischen Raubkatze, nahm Sofanor den Rubin aus einer der Taschen undlegte ihn der Lorenzona in ihre große knochige Hand. Kochend vor Wut sprang die Inglesa auf ihr Pferd, während die Lorenzona Sofanor in aller Dankbarkeit ein Kräutersäckchen und einen Anhänger um den Hals hängte. Die Inglesa verlor beinahe die Fassung über diese Geste, in der Annahme, die hässliche Alte wolle ihm einen Kuss aufdrücken.
»Hier hast du ein bisschen Marihuana, damit du gut schläfst«, meinte die Lorenzona und raunte ihm dann noch ins Ohr: »So bleibt auch das Raubtier ruhiger.«
Die Inglesa hörte nicht, was getuschelt wurde, aber es war klar, dass Sofanor Ärger erwartete, wenn er sich nicht auf der Stelle von der Alten verabschiedete. Während die Inglesa kurz in Richtung der kahlen Berge blickte, steckte die Lorenzona Sofanor ein weiteres Säckchen zu, das er in seiner Anoraktasche verschwinden ließ. Das hat sie mir später so erzählt: Dieses geheimnisvolle Säckchen habe sie ihm in Copiapó geschenkt, dem Ort, an dem sie sich auf Nimmerwiedersehen trennten.
»Was hat dir diese Hexe da gegeben?«, wollte die Inglesa wissen, als sie schon ein gutes Stück ohne die Lorenzona weitergeritten waren.
Sofanor fürchtete, sie habe das zweite Säckchen gesehen, und heuchelte, nichts, das sei doch unwichtig.
»Wie, nichts?«, beharrte die Inglesa. »Glaubst du, ich bin blind und sehe nicht, was dir da um den Hals hängt?«
Sofanor atmete erleichtert auf. Er nahm das Amulett ab und gab es ihr, damit sie es sich anschauen konnte.
»Nichts Unheilbringendes, keine Sorge«, sagte er.
»Wenn wir nach Paitanás kommen, werde ich dich verlassen und mir einen anderen suchen. Diesmal wirklich«, drohte ihm die Inglesa, erhitzt von der Milch, die sich in ihren Brüsten ansammelte.
Sofanor war gekränkt und sagte nichts. Nach dem Schock über ihr Verschwinden und der Ungewissheit über ihren Verbleib während dieser verfluchten elf Monate, machte ihn die Vorstellung irre, dass seine Frau durch die Hände eines anderen ging – weshalb er den Gedanken daran immer vermieden hatte. Doch in der letzten Zeit ließ es ihm keine Ruhe, und allmählich begann der Wahnsinn seine Schritte zu beherrschen. Dabei wusste die Inglesa selbst nicht, ob sie ihre Drohung ernst meinte. Ich glaube, in dem Augenblick hasste sie ihn nur, weil er ihr den Wunsch nach dem Rubin abgeschlagen hatte. Bisher hatte Sofanor immer gespurt, doch inzwischen wirkte der Gauner vernünftiger, und sie kostete, krank vor Eifersucht, von ihrer eigenen Medizin.
Als sie schließlich in Paitanás eintrafen, herrschte in der ganzen Stadt Festtagsstimmung zur Feier von Mariä Lichtmess. In den Straßen tummelten sich unzählige Bruderschaften und führten religiöse Tänze um die Virgen de la Candelaria auf, die nur fünfzehn Zentimeter groß war. Diese aus Stein gearbeitete Figur war die allerkleinste, die von den Landsleuten jedoch am meisten verehrt wurde. Die beiden stiegen im Chanchoquín ab, wo sich Sofanor, frisch geduscht, ein sauberes Hemd, eine Weste und einJackett anzog –
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