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Der Ministerpräsident - ein Roman

Der Ministerpräsident - ein Roman

Titel: Der Ministerpräsident - ein Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klöpfer , Meyer GmbH , Co.KG
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Er wollte darauf einhacken können. Immer das letzte Wort behalten. So März.
    März zeigte mir Landkarten, auf denen in dicken Pfeilen Saars Bewegungen aufgezeichnet waren. Nachstellbewegungen, Querbewegungen, Umschließungsbewegungen. Oder März zeigte auf eine Karte und meinte: Saar sei nur wenige Kilometer hinter uns. Oder über uns. Er sei mit einem Fallschirm in ein Stadion geflogen. Oder er habe ein Gestüt besucht. Das Gestüt von Marbach. Und er habe dort ein Fohlen getauft. An der Stelle, wo auch ich ein Fohlen getauft hatte. Und nicht wenige Menschen seien bei Saars Besuch anwesend gewesen. Am Ende sogar mehr Menschen als bei meinem Besuch. So März. Er zeigte uns täglich Zeitungen mit den neuesten Nachrichten von Saar. In einer Zeitschrift zeigte sich Saar auf einem Fahrrad. Er winkte von einem Berg herab. Unter ihm sah man zahllose Serpentinen. März nannte das Angeberei. Trittbrettfahrerei. Und Saar betonte in einem Interview: Wie leidenschaftlich gerne er Fahrrad fahre. Schon lange bevor bei mir, dem Ministerpräsidenten, irgendeine Rede von einem Fahrrad gewesen sei. Und Saars Frau bestätigte das. Wie oft ihr Mann mit dem Fahrrad unterwegs sei. Selbst im Winter. Und März bedeutete mir: Er, Saar, er habe wenigstens noch eine Frau. Während in meinem Wahlkampf von einer Frau nicht mehr die Rede war. Wie viele Prozentpunkte allein dieser Umstand uns gekostet habe.
    Einmal sagte ich zu März, dass ich gerne etwas sagen würde. Und März dachte: dass ich ihm gerne etwas sagen wolle. Dabei hatte ich daran gedacht, in meinen Reden etwas sagen zu wollen. Und März wirkte perplex. Ich würde doch in meinen Reden die ganze Zeit etwas sagen. Aber ich meinte, was auch Hannah gemeint hatte, dass ich selber gerne etwas sagen würde. Ein paar eigene Gedanken aussprechen würde. Welche Gedanken? fragte März.
    Zum Beispiel, wie wir leben wollen, sagte ich.
    Wie wir leben wollen? fragte März.
    Wie wir leben wollen, sagte ich. Nicht wie wir leben sollen oder leben müssen, sondern wie wir leben wollen … Doch März hörte kaum zu. Oder er sagte: Später. Oder: Diese Gedanken seien jetzt nicht aktuell. Sie passten nicht zum Wahlprogramm. Man könne sie vielleicht bei späteren Gelegenheiten äußern. Ich fragte: Wann? Nach dem Wahlkampf, so März. Oder im nächsten Wahlkampf.
    Man könnte beispielsweise, sagte ich März, einmal im Jahr jedem Bürger unseres Landes ein Buch schenken.
    Ein Buch schenken?
    Ein Buch schenken.
    Warum sollte man so etwas tun? fragte März.
    Einfach so, sagte ich.
    März: Ich hätte doch sonst nie Interesse an Büchern gezeigt.
    Eben deshalb, sagte ich.
    Dass das kaum praktikabel sei, so März.
    Warum nicht?
    Es sei teuer, ineffektiv und befremdlich.
    Ich hatte an einen Gedichtband gedacht, den Hannah mir zum Lesen gegeben hatte.
    März: Kein Mensch lese heutzutage Gedichte.
    Vielleicht ja doch, sagte ich.
    März: Die Idee passe nicht ins Wahlprogramm.
    Ob man das Wahlprogramm nicht ändern könne?
    März: Man könne ein Wahlprogramm nicht einfach ändern. Es sei längst verabschiedet.
    Man könnte, wenn schon keine Gedichte, dann vielleicht Romane verschenken.
    März: Kein Mensch habe etwas für derartige Geschenke übrig.
    Man könnte zum Beispiel jedem, der ein solches Buch bei sich hat, Freifahrten in Zügen oder Bussen anbieten.
    Dass das unmöglich sei, so März.
    Warum?
    Politisch, rechtlich und haushaltstechnisch unmöglich. Ich solle mir das aus dem Kopf schlagen. Ich solle lieber an meine nächste Rede denken. Oder aus dem Fenster schauen. Oder mich mit Landesfragen beschäftigen.
    Ich fragte März, warum es so viele Scheidungen gebe?
    Er wusste es nicht. Das sei nun einmal so.
    Ich sagte ihm, es gebe möglicherweise all diese Scheidungen, weil so viele Menschen verheiratet sind, und es sind so viele Menschen verheiratet, nicht weil sie verheiratet sein wollen, sondern weil sie gerne Hochzeiten feiern. Und sie wollen Hochzeiten feiern, weil sie einmal in ihrem Leben gerne etwas Feierliches erleben und dabei im Mittelpunkt stehen wollen. Wenn man also Hochzeiten feiern könnte, ohne deshalb gleich verheiratet sein zu müssen, vielleicht gäbe es dann weniger Scheidungen. Und dafür mehr Hochzeiten.
    Dass solche Gedanken politischer Selbstmord seien. So März. Dass ich derartige Gedanken nicht einmal im Traum denken dürfe. Geschweige denn irgendwo aussprechen. Er war auch ungehalten, als ich ihn fragte: Ob Kinder wirklich Kapital seien?
    März: Was ich damit sagen wolle?
    Ich

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