Der Minnesaenger
August hatte das junge Ding in einem Kölner Bordell angeworben. Es konnte weder Putzen noch Weben noch Kochen, dafür verfügte es über besondere Qualitäten, die ihm von großem Nutzen waren. Wenn sich ein Kunde kauffreudig zeigte, tauchte sie gerne unter dem Tisch ab, um ihm den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.
Der Truchsess war für derlei geschlechtliche Dinge zu alt. Ihn ließ August in den Genuss anderer Freuden kommen. Auf einer Platte ließ er eingelegte Heringe, Krebse und Makrelen vom Nordmeer servieren, die in Freiburg als Delikatesse galten. Mehrmals schenkte er von dem ungarischen Wein nach. Als August ihm schließlich einen kostbaren Sarazenendolch überreichte, schubste der Truchsess das Mädchen, das ihn zärtlich den Nacken gekrault hatte, von seinem Schoß und stellte sich auf die kolossalen Beine. »Nun ist es aber gut. Willst du etwa meine Gunst erkaufen?«
»Wo denkt Ihr hin?«, rief August. »Dieses völlig unbedeutende Geschenk ist nichts weiter als ein Zeichen meiner Wertschätzung. Ich würde es niemals wagen, mich anzubiedern.«
»Jetzt zeig mir endlich«, sagte der Truchsess und ließ den Dolch behände in seiner Tunika verschwinden, »was du dem Herzog anzubieten hast.«
Durch eine einflügelige Pfostentür führte August den gewichtigen Mann in die Lagerräume. Mit Sachkenntnis und sprachlicher Gewandtheit präsentierte er Krummsäbel
aus dem Morgenland, feinste Lyoner Seide, Bärenpelze aus den weiten Steppen des Ostens, Damaststoffe aus dem Orient, Leinen aus Flandern, schmackhaftes Meersalz aus Griechenland und venezianische Ketten, Broschen und Ringe. Mit unbewegter Miene prüfte der Truchsess die Waren und sagte schließlich:
»Hast du Bernsteine mit Einschlüssen von der baltischen See?«
»Noch vor dem Osterfest beschaffe ich eine ganze Kiste.«
»Gut! Der Herzog hält sie so gerne ins Licht. Gib mir Bescheid, wenn die Lieferung eingetroffen ist. Die Stoffe kannst du auf Karren verladen und morgen zur Burg bringen.«
»Wie viel Ellen braucht Ihr, Herr?«
»Alles natürlich«, sagte der Truchsess und stampfte durch die Tür nach draußen.
August sah ihm nach und begriff, dass er soeben den ersten Schritt auf den Weg nach oben gemacht hatte. Er musste an sein Eheweib denken, das am Morgen grußlos an ihm vorübergegangen war. Sie sollte ihre Frechheiten bloß nicht übertreiben! Wenn er sich die Gunst des Herzogs verdient hätte, würde er sie vielleicht nicht mehr brauchen.
3.
Hartmann hatte mit aller Kraft auf den Hoftag hingearbeitet und endlich war es so weit. Mehr als siebzig Reichsfürsten fanden sich in Mainz ein. Aus England, Spanien, Ungarn und Illyrien reisten weitere siebzigtausend adelige Festteilnehmer an, wie die Chronisten nachher festhalten sollten. Veranstaltungsort war die Maaraue am rechten
Rheinufer bei Kostheim. Zur Bewirtung der Gäste hatte Friedrich Barbarossa eine ganze Pfalz aus Holz errichten lassen - bestehend aus den Quartieren für den kaiserlichen Hof, einem großen Festsaal, einer geräumigen Kirche und diversen Häusern für die Reichsfürsten. In zwei Hühnerhallen verrichteten die Schlachter von morgens bis abends ihr Handwerk, um alle hungrigen Mäuler zu stopfen. Lastkähne sorgten für Nachschub an Wein, weil die Straßen verstopft waren.
Natürlich gab es auch unschöne Begleiterscheinungen. Ein Pferd ging seinem Besitzer durch, brachte mehrere Lauben zum Einsturz und zertrampelte die Köpfe dreier Musikanten, die gerade ihren Rausch ausschliefen. Menschenhändler lockten Kinder auf ein Schiff, das sofort ablegte und zu den Sklavenmärkten aufbrach. Zwei Haudegen sahen sich zum ersten Mal nach über dreißig Jahren wieder: Der eine hatte einen Buckel, der andere benutzte ein Hörrohr, aber als ein alter Erbstreit neu entbrannte, gingen sie mit Äxten aufeinander los. Ihre Söhne, Enkel und Neffen eilten ihnen zur Hilfe. Das Gemetzel kostete achtundzwanzig Männern das Leben.
Der zähringische Tross bestand aus zwölf Wohnwagen, zwei Küchenwagen, sechs Lastkähnen und fünf Ochsenkarren mit zehn Fudern des berühmten Beerenweins. Kaiserliche Soldaten führten die Kolonne zum Rheinufer. Der Marschall gab den Befehl zum Absitzen und ließ eine Wagenburg bilden. Sofort setzte ein emsiges Treiben ein. Zelte und Pferdekoppeln wurden errichtet, Wachmannschaften eingeteilt und die Knappen nach Feuerholz ausgeschickt. In der einsetzenden Dämmerung gab ein Küchenjunge die erste Mahlzeit aus.
»Hartmann«, sagte Bruder
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