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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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Erleichterung, als Hartmanns Worte wie Axthiebe wüteten und den Schurken besiegten.
    Im weiteren Verlauf markierte er nicht nur den unerschrockenen Helden, sondern auch den verliebten Ritter. Bei der Beschreibung von Enite hatte er besondere Sorgfalt walten lassen. Normalerweise bemühten die Troubadoure das Bild der Sonne, wenn sie von ihrer Gönnerin schwärmten. Auch hier beschritt Hartmann neue Wege. Wann immer er Enite beschreiben wollte, hatte er an Judith denken müssen. Die Erinnerung an ihre Begegnungen lebte nach wie vor in ihm fort. Ihr Wesen strahlte nicht in gleißender Helligkeit, sondern erschien ihm milder, mitfühlender und tröstlicher als je zuvor. So senkte sich seine Stimme zu einem zärtlichen Flüstern, als er sprach: »Denn ich kann Euch schildern, / wie ihre Schönheit die anderen übertraf: / Wenn in einer dunklen Nacht / die Sterne klar leuchten, /
so dass man sie genau sehen kann, / dann sagt man mit Recht, / sie seien wohlgefällig, / solange nichts Schöneres kommt. / Wenn aber nun in der Nacht / die Zeit des Mondaufgangs kommt, / so achtet man die Schönen / vor dem Glanz des Mondes für Nichts. / Rühmenswert schienen sie, / wenn es keinen Mond gäbe / und wenn er sie nicht verlöschen ließe / durch seinen sanften Schein.« 2
    Die Edelfrauen betrachteten ihn plötzlich aufmerksamer und eine lebendige Röte legte sich über ihre Wangen. Und als ihm der kaiserliche Soldat durch ein Handzeichen bedeutete, dass die hohen Gäste zum Abendschmaus in der Aula erwartet wurden, entschied er sich zu einem gewagten Spiel. Um die Spannung bis zum morgigen Tag aufrechtzuerhalten, endete er nicht mit einem Abenteuer, sondern mit einer besonders leidenschaftlichen Stelle: »Die Minne beherrschte sie beide / und bedrängte sie heftig. / Sah einer den andern, / so ging es ihm nicht anders / als einem Habicht, der seine Beute / vor die Augen bekommt, / wenn er hungrig ist; / bekommt er sie nun gezeigt, / und kann sie noch nicht erlangen, / so geht es ihm schlechter, / als hätte er sie gar nicht erst gesehen. / (...) / Beide dachten sie: / »Ich kann nicht glücklich sein, / wenn ich nicht / mehrere Nächte bei dir liege.«3
    Im Zelt herrschte eine atemlose Stille. Mehrere hundert glänzende Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Erst als die Edelleute begriffen, dass er den Vortrag nicht fortsetzen würde, setzte Geflüster ein. Gewänder raschelten, Füße scharrten und Schwertscheiden klackten gegen die Gürtelschnallen. Schließlich erhob sich ein kleiner, bärtiger Fürst von der Bank und rief: »Ich will sofort wissen, ob es zur Umarmung kommt!«

    Hartmann setzte eine vielsagende Miene auf und schlug das Buch zu. »So leid es mir tut - gegen die Anordnungen des Kaisers bin ich machtlos. Morgen, beim höchsten Stand der Sonne lese ich weiter.«
    Während sich eine lebhafte Diskussion über die Inhalte des Romans entwickelte, band der kaiserliche Soldat den Vorhang mit Kordeln an der Zeltplane fest und forderte die Edelleute auf, ihm zur aula zu folgen.
    »Kann Hartmann seinen Vortrag nicht beim Essen fortsetzen?«, fragte ein Edelfräulein. Andere stimmten sogleich ein: »Ja, das ist eine glänzende Idee. Er soll uns begleiten.«
    Der kaiserliche Soldat blickte zuerst auf Hartmann, dann auf das Publikum. Eine solche Entscheidung überstieg seine Befugnisse - er nahm nur Befehle entgegen. »Soweit ich weiß, steht ein Schlangenmensch auf dem Programm. Außerdem bin ich dazu ermahnt worden, dem Kaiser Wartezeiten zu ersparen. Wenn die Herrschaften mir also bitte folgen wollen.«
    Die Edelleute äußerten ihren Unmut, fügten sich aber schließlich. Während sie das Zelt verließen, nickten sie Hartmann zu, der am Tisch stehen geblieben war und ihnen aufmerksam nachschaute. Ob seine Taktik aufging, würde sich erst morgen zeigen.

5.
    Am Pfingstmontag fand in aller Frühe die Schwertleite der beiden älteren Kaisersöhne statt. Heinrich VI. war achtzehn Jahre alt, sein Bruder Friedrich nur anderthalb Jahre jünger. Die weisesten Lehrer bereiteten sie auf große Aufgaben vor. Längst erhielten sie Einblicke in die Regierungsgeschäfte,
aber was ihnen an diesem Morgen an Begeisterung entgegenschlug, war auch für sie eine überwältigende Erfahrung. Aus tausenden Kehlen erschallten Hochrufe.
    Im Anschluss an die feierliche Umgürtung fand die Beschenkung der Bedürftigen statt. In der Nacht waren zahllose Schiffe entladen worden. Nun wurden Tücher, Kunstperlen, Waffen und Steinfiguren säckeweise

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