Der Minnesaenger
Schüssel und tupfte seine Stirn ab. »Ich hatte schon befürchtet, dass du gar nicht mehr zu dir kommst.«
»Wo bin ich?«
»Gefällt es dir hier etwa nicht?«, fragte Johanna neckend. »Der Herzog war der Meinung, dass du dir eine gute Pflege verdient hättest.«
»Und warum pflegst du mich? Ich meine...«
»Durch deinen Ausfall in der Kanzlei und die vielen Verletzten bei dem Turnier hat Bruder Stephan nur wenig Zeit. Deshalb habe ich angeboten, ihm zu helfen. Und weil ich ohnehin die Herzogin betreue, ist es kein großer Aufwand, auch nach dir zu sehen.«
Hartmann wusste, dass die Herzogin Blut hustete und nicht mehr lange zu leben hatte. Er wusste auch, dass Johanna ihr sehr nahestand und nur ungern über dieses Thema sprach. »Wie lange war ich weggetreten?«
»Dreimal ist die Sonne auf und untergegangen. Gestern kam der Herzog, um sich nach dir zu erkundigen. Und ein junger Krieger lässt dir ausrichten, dass er nicht länger warten konnte. Du sollst ihn unbedingt besuchen und bist ihm jederzeit willkommen.«
»Das muss Burkhard gewesen sein!«
»Ja, so war sein Name. Da fällt mir übrigens ein, dass ich die Wunde neu verbinden muss.« Johanna schlug die Decke zurück und löste den alten Verband. Die Lanze hatte das Kettenhemd durchbohrt und das Muskelgewebe von der Brust bis zur Schulter aufgerissen. Die Körpersäfte ließen das Fleisch gut verlappen, trotzdem würde eine hässliche Narbe bleiben. Johanna ging zum Ofen und kochte Schafgarbenblätter auf. Das Kraut wurde bei äußeren Verletzungen angewandt und schützte vor Schwären. Sie tauchte ein Stück Linnen in den Sud, wrang es aus und breitete es über die Wunde aus. Auf das Tuch legte sie die warmen Blätter und band sie mit einem weiteren Linnen fest.
Dann legte sie ihm die Hand auf die Stirn und sagte: »Du hast noch etwas Fieber, am besten erneuere ich die Wadenwickel.«Als sie die Decke zurückschlug, strich ihr
Blick zuerst über seine Brust, dann über seinen muskulösen Bauch und schließlich über sein Geschlecht. Behände wechselte sie die Wickel und füllte einen Becher mit Kräuterwein, um dessen Rezeptur Bruder Stephan ein großes Geheimnis machte. Johanna half ihm, sich aufzurichten, und setzte ihm den Becher an die Lippen. Gehorsam schluckte Hartmann das Gebräu und schüttelte sich.
»Das schmeckt ja widerlich!«
»Dafür wirkt der KräuterweinWunder.«
Hartmann wischte sich über den Mund und fragte: »Johanna, weißt du, was die Männer über mich reden?«
»Was diese Reiterspiele angeht, bist du nicht besser als die anderen. Ich verstehe einfach nicht, wie man sich an diesen Turnieren so ergötzen kann. Sie sind nichts weiter als die Vorbereitung auf das nächste blutige Gemetzel.«
»Vielleicht kannst du dir eine solche Einstellung leisten, aber ich kann es ganz sicher nicht!«
Eine Weile schaute Johanna ihn nur an. »Entschuldige bitte«, sagte sie dann. »Manchmal vergesse ich deinen Stand. Über den Ausgang des Kampfes herrscht keine Einigkeit, aber du kannst beruhigt sein. Viele Krieger halten dich für den Sieger, weil du Friedrich die Schulter ausgekugelt und das Schwert aus der Hand geschlagen hast. Er war deiner Gnade ausgeliefert. Andere behaupten, dass du verloren hättest, weil Friedrich den Kampf fortsetzen wollte, als du bewusstlos am Boden lagst. Schließlich ließ der Herzog ausrufen, dass der Kampf unentschieden geendet sei, so dass keiner von euch Ansprüche auf die Bewaffnung des anderen erheben kann.«
»Unentschieden also!«
»Genau«, flüsterte Johanna und strich ihm zärtlich eine
blonde Strähne aus der Stirn. Tief blickte sie ihm in die Augen und beugte sich hinab, um seine trockenen Lippen zu küssen. Behutsam drängte sie ihre Zunge in seinen Mund und ließ sie kreisen. Ihr Atem wurde schneller und ihr Gesicht glühte. Als sie nach seiner Hand griff, um sie auf ihre Brust zu legen, seufzte sie heiser. Erst als Hartmann keine Anstalten machte, ihre Zärtlichkeiten zu erwidern, öffnete sie die Augen.
»Sobald du dich erholt hast, versuchen wir es noch mal«, sagte Johanna und verließ die Kemenate.
13.
Zehn Tage später starb im Morgengrauen die Herzogin von Zähringen. Um die Mittagszeit versammelte sich das Gesinde im Burghof.
»Vater«, rief eine Küchenmagd, »das ist nicht gerecht! Die Herrin hat sich niemals versündigt und war immer gut zu uns!«
Bruder Stephan stand auf der Treppe, die in den Palassaal führte, und hob die Hände: »Auch wenn ihr die Herzogin nicht mehr
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