Der Minus-Mann
deine Angst nicht, deine Verzweiflung. Du hast gewartet, sagst du, aber, wie kann ich es sein, auf den du gewartet hast … ich, ein Ganove, ein Haltloser. Laß mir deine Haut. Das andere behalte, ich weiß nichts damit zu tun … Ich bleibe zwei Tage, dann ist der Schnee unter meinen Schuhen derselbe, Menschen rempeln mich an, hasten über Kreuzungen, ein Eiszapfen glitzert, gläsern und unberührbar.
»Wo warst du?« fragt Cha-cha.
»Ich habe ein Wochenende durchgesoffen. Mit Leuten, die du nicht kennst«, sage ich teilnahmslos. Cha-cha küßt mich und plaudert vom Samstagsverdienst. Das Eis bleibt im Gehirn.
Da ist Stella. Wie sagte sie: Liebe, verletzliche Liebe … muß ich dem auch einen Namen geben? Welchen? Davon weiß ich nichts. Cha-cha ist meine Halsweite. Ficken, okay; aber das andere, das mir die Fäuste öffnet. Ich will es nicht.
Stella – Weiblichkeit, sprühend, faszinierend, gescheit – ich scheiß drauf. Ich kenne meine Huren und meine Bars. Stella: Das ist die Urfut, die mich verschlingt und weich und wehrlos macht. Ich habe Angst davor. Das ist Glas, und mein Schwanz bleibt hart in ihr. Ich kann nicht spritzen. Ich will das Bild hinter ihr. Bin mißtrauisch, ziehe ihr Reden, ihr Tun in Zweifel. Was weiß ich von Theater und Literatur, Musik und den Schulen der Malerei, von geistvollen Gesprächen mit unbeschwerten Menschen? Die sollen mich doch alle! Ich leere eine Flasche Schnaps und begrabe die blasse Geliebte im Gekotzten. Dann fehlt die Farbe in der Umgebung, die Hoffnung im Warten, die Berührung. Dann wache ich auf – Stella sitzt neben dem Bett.
Ihr Mund ist da, und der Dreck geschieht in einem fernen Leben. Irgendwo schlage ich in ein Maul, das ihren Namen nennt. Zwei Nächte lang prügle ich mich durch Bars, und glücklich, mit zerfetzten Kleidern liege ich neben Cha-cha im Vertrauten, Gelernten.
Am Morgen kotze ich den Ekel aus mir und denke, wie angenehm es sein müßte, nichts, nicht mal sich selbst zu lieben.
Ist es Liebe? Es ist der Finger auf die Stelle, wo das Blatt klebte, wo der Dreckpanzer nicht dicht hält. Die Befreiung sickert ein. Der Psychopath wehrt sich mit aller Kraft gegen die Unterspülung der letzten Bastionen.
In der Firma hantiere ich mit Suppositorien und Baldrian, Kreislauf stützern und Babysalbe. Mein Gehirn peitscht und drängt gegen die zerbröckelnden Mauern des Gettos. Wo ist die Antwort? Wo? … ›Hinter deiner Stirn‹, sagt die Stimme, aber ich glaube ihr nicht, bin nur noch zerfahren und zurückgezogen.
»Verbindet uns noch etwas?« fragt Cha-cha. Ich brauche nicht mal zu überlegen.
»Das Geld, welches du bringst«, sage ich. Doch es stimmt nicht, und ich schlafe mit ihr. Aber was stimmt? Was? Der Ekel! Und nur der Ekel.
Ich versuche es mit anderen Frauen. Seidenfetzen und Kattunröcke, Brüste und Schenkel, Votzen und Ärsche wirbeln. Der Gehirnfrost isoliert mich, auch von mir. Ekligen Träumen folgt tieferer Ekel im Erwachen. Stella darf mir nicht mehr sein als ich ihr.
»Bring dich um«, sagt irgendwer, vielleicht Cha-cha; vielleicht meine Mutter.
Das Weiße, Mehlige zerstoße ich: hundert Tabletten, und saufe es mit Whisky hinunter. Dann, der dunkle Schacht.
Irgendwann erwache ich, und Cha-cha sitzt neben meinem Bett. Aus dem Nebel kommen ihr Gesicht, Fragen und das riesige Zifferblatt der Uhr über der Tür des Krankensaales.
Psychiatrisches Krankenhaus. Blutaustausch und leise, höfliche Fragen; Menschen in Gitterbetten kauen an der eigenen Scheiße, sabbern und lallen. Türen ohne Klinken, steriles Weiß, widerspruchslose Pfleger, vergitterte Fenster und Bohrer an den Schläfen.
»Christus ist im Zimmer«, sagt der Patient, ein Irrer, zu mir. Es ist Nacht, er steht neben meinem Bett.
»Rede du mit ihm, ich bin zu müde«, sage ich und gebe ihm eine Zigarette, dann drehe ich mich zur Wand. Er geht aus dem Zimmer rauchen, redet dabei, mit einem Gott.
Zugangspavillon Nr. 2. Ich spiele mit Pflegern Schach. Sie lassen mich gewinnen, und dann lasse ich sie gewinnen. Ihr stereotypes Reden: »Natürlich hast – du – recht«.
Idioten soll man nicht widersprechen. Ich stehe am Fenster.
»Der Mond ist grün«, sage ich. Der Pfleger nickt. Und am anderen Morgen wieder Fragen und Fragen. Ich kann nichts antworten, den Ärzten nicht, mir nicht.
Cha-cha holt mich nach zehn Tagen ab.
Dann bin ich bei Stella, sitze am Fensterbrett, die Sonne brennt auf meine Schultern.
»Ändere es, das Ganze, und du wirst leben können – mit
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