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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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schweißklebrig falle ich wieder ins Bett. Acht Wochen bleibe ich im Spital, dann unterschreibe ich einen Revers und fahre mit Cha-cha nach Hause.
    An Stella, an ›das andere Leben‹, habe ich die Absage geschrieben, dann ziehe ich mir den Nagel aus den Knochen und lerne gehen … zu Hause.
    Stella fährt in den Herbst, mit einem anderen Mann.
    Seit drei Wochen bin ich aus dem Spital. Die Krücken ziehe ich nach ins Auto. Statt mit dem rechten Fuß bremse ich mit der Krücke. Es ist Nacht, und dann fällt ein Scheinwerfer aus, und da ist nur noch Sehnsucht hinter den Fäden des Regens. Der Wille ist zu schwach. In einem kleinen Ort, zwanzig Kilometer vor Wien, bleibe ich hängen, rufe Stella an.
    »Komm, ich kann nicht weiter«, sage ich. Dann ist Stella da, und die Zeit ohne sie verwischt in der Nacht.
    »Tu ich dir weh?« fragt sie immer wieder zärtlich und dumm.
    »Nein, nein«, sage ich, und mein Körper ist zu Hause. Ein Schmerz ist nicht mehr da, der große, stille, hinter den anderen, der ein Berg war gegen die Schmerzsteinchen in den Knochen. Ihre Hände flechten Berührungen, und ich möchte weinen, aber es ist schon Tag und hell. Dann fahre ich mit ihr zurück zu meinem Auto in dem kleinen Ort. Sie sieht mir nach. Stella ist frei von mir, und ich …
    Ich nehme das Bild in den Nebel und fahre durch die braunglatte, feuchte Gegend nach Hause. Zwei Wochen später werfe ich die Krücken endgültig zur Seite, verkaufe die alte Interimskiste, die Cha-cha nach dem Unfall gekauft hat, und bestelle mir ein neues Auto. Mutter schüttelt den Kopf.
    »Willst du nicht endlich den Führerschein machen?«, sagt sie.
    »Nein«, sage ich.
    Polizeibonzen und Aktennotizen und – ›Sie müssen sich fünf Jahre ohne Verwaltungsstrafe bewähren‹ –, ich scheiß drauf, will mich gar nicht bewähren, fahre eben ohne den amtlichen Wisch. Drei Jahre habe ich versucht, die Erlaubnis zu bekommen, aber sie haben abgewinkt, immer war da ein Haar in der Suppe. Sie – Ihre Vorstrafen – der schlechte Leumund, die mangelnde persönliche Vertrauenswürdigkeit. Sie sollen mich mal …
     
    Cha-cha ist betulich und verliebt. Sie schläft nur mehr mit Stammkunden, wenn sie davon erzählt, glaube ich, sie blättert im Familienalbum – »er hat jetzt einen neuen roten Wagen« – »er hat vier Kilo zugenommen« – »seiner Frau wurden die Eierstöcke entfernt«.
    Sie plappert und merkt schon lange nicht mehr, daß niemand zuhört. In der Firma bekomme ich einen anderen Job. Labor, Fertigproduktkontrolle. Ich hantiere mit Säuren und Laugen, Karbonaten und Silikaten. Die pummelige Sekretärin ist nicht mehr da, und die fetten Weiber in der Kantine reden von Blähungen und nie ausgefickten Wunschträumen.
    Manchmal ist Stella da, dann ist die Tagesscheiße parfümiert. Ich möchte mit ihr sein, aber unsere Augen treffen einander auf der Spitze eines Berges, keiner zeigt dem anderen den Weg, und es geschieht nichts.
    Cha-cha erfickt Banknoten in meine Brieftasche. Dann klebe ich mit dem neuen Wagen an einem Laternenmast. Ein Besoffener hat vergessen zu blinken. Das Auto ist Schrott, und ich werde angezeigt – wegen Fahrens ohne Führerschein. Im Krankenhaus unterschreibe ich wieder einen Revers, weil das Brustbein an derselben Stelle gebrochen ist, wie fünf Monate zuvor, und ich am Schädel einige Schrammen habe und liegen sollte.
    Cha-cha zieht nach Wien. Wir leben getrennt, nur manchmal hole ich mir Geld. Ich will Stella aus meinem Hirn treiben. Bars, Gesichter und fremde Haut. Sie heißen Anna oder Helga, Doris oder Grete; sie sitzen neben mir, auf irgendeinem Hotelbett. Sie zeigen mir Striemen und blaue Flecken, weinen und erzählen von nächtlichen Schauspielen. Ich bin betrunken und erstaunt. Nüchtern denke ich manchmal, warum geht keine zur Polizei; dann vergesse ich sie. Freunde gibt es keine. Flüchtige Bekannte wechseln rasch. Und wieder Mädchengesichter, hübsche und häßliche und glatte, willige, ängstliche Körper. Jeden Abend die Show, eine steigt immer drauf ein.
    »Ich komme mit dir«, sagen sie und haben kein Gesicht. Sie sind vielhaarig und benutzbar, biegsam, behende; Fleisch und Wärme und Worte gegen die Kälte unter meiner Haut. Halbbetrunken überschütte ich sie mit Zärtlichkeiten, lecke, ficke, quäle die Verschreckten. Lutsche ihnen Kot aus dem Hintern, bestrafe sie dafür – die unschuldigen Säue. Sie sind fasziniert und erstarrt, hingerissen und geschockt von dem Wahnsinnigen.
    Dann taucht Harry

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