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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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sie besichtigen und pflegen. Rita ist bei ihr, nur daß sie keinen Wirbel machen kann. Sie erwarten dich im Hotel«, sage ich.
    »Und du? Wo bist du?« sagt er.
    »Ich bin in Ritas Apartment«, sage ich, lege auf und schlafe dann ein. Ich bin wach. Die Tür ist eben gesperrt worden, im Vorraum? Harry hat meine Waffe in der Hand. Neun Millimeter Kaliber, böse und auf meinen Kopf gerichtet. Das fette Gesicht ist wächsern, seine Schultern verzogen.
    Nichts geschieht. Der Kaktus am Fensterbrett blüht. Er steht noch immer neben der Tür. Er macht einen Schritt vorwärts.
    »Du miese Drecksau, du Scheißhund, was hat sie dir getan?«, sagt er und flüstert dabei.
    »Nichts«, sage ich.
    Er drückt nicht ab – ist zu feige – zu schwammig.
    »Was willst du mit meiner Pistole?« frage ich.
    »Dich umbringen, dich erschießen. Das ganze Magazin dir in den Schädel pumpen, aber ich kann nicht. Ich kann nicht, ich bin zu feige und du – hast das gewußt. Stimmt’s, du hast es gewußt?« schreit er.
    »Kümmere dich mit Rita um sie. Ich will keine Anzeige. Laß dir was einfallen«, sage ich und gehe ins Bad.
    Wie ich zurück komme, ist er weg. Später kommt Rita.
    »Harry hat mich weggeschickt. Ich weiß nicht, was er vorhat, verschwinde lieber, vielleicht kommt die Polizei«, sagt sie.
    Ich tauche unter, höre nichts von Harry. Auch Rita weiß nichts. Sie bringt Geld und weint oft.
    »Warum fahren wir nicht weg?« sagt sie dann.
    »Wozu?« frage ich.
    »Weil ich mit dir leben möchte. Ich könnte in einer Bar arbeiten, und wir würden zusammenleben«, sagt sie.
    »Zusammenleben, mit dir? Ich kann nicht mal mit mir leben, wie soll ich da mit jemandem anderen leben, außerdem will ich nicht«, sage ich.
    Einer sagt mir, die Polizei suche mich. Wegen Körperverletzung und Erpressung und Entführung. Ich borge mir Geld. Auch von Stella. Jeden Tag wechsle ich das Hotel. Stürme, Kälte und Schnee, Schnaps und stinkende Lokale am Naschmarkt um fünf Uhr früh.
    Eine Nacht lang bleibe ich bei Stella.
    »Deine Mutter ist wieder im Spital. Es geht ihr schlecht, und sie will dich sehen«, sagt sie. Irgendein Fremder hätte angerufen.
    Ich komme in das Krankenhaus. Eine Schwester übergibt mir Mutters Kleidung.
    Sie ist vor zwei Tagen gestorben.
    Ich gehe im Schneeregen. Mutter ist tot. Krebs. Metastasen im ganzen Körper. Zwei Tage vor ihrem Tod holt die Gendarmerie noch die Wohnungsschlüssel für eine Hausdurchsuchung.

Februar 1972 – graukalte Tage. Ich bin im Haus, habe die Fenster verhängt, niemand braucht das Licht zu sehen.
    Mutters Begräbnis. Ich bin ein paar hundert Meter neben dem Friedhof, will mich dort verhaften lassen. Fremde gehen hinter dem Sarg, stehen herum.
    Zwei Tage später kommen Beamte mit Cha-cha. Wollen eine neuerliche Hausdurchsuchung machen. Widerstandslos lasse ich mich festnehmen. Es ist wieder einmal gelaufen.
    Eisenstadt, dann Landesgericht Wien. A-Trakt, Zelle 135.
    Monate nichts. Dann schreibe ich an Stella. Sie besucht mich. Fremd, fragend, hinter einem breiten Tisch. Ein Beamter steht daneben. »Über das Verfahren dürfen Sie nicht sprechen«, sagt er.
    Sie hilft mir, mit Mutters Hinterlassenschaft zu Rande zu kommen. Mein Untersuchungsrichter, mit spitzem Gesicht und Basedowaugen, himmelt sie an.
    »Warum sind sie alle so widerlich«, sagt Stella. Sie, aus der Bürgerlichkeit entlaufen, spürt es schmerzhafter als ich, der es weiß.
    Jede Woche Filzen und besoffene Beamte, die um sechzehn Uhr beim Abendrundgang nicht mehr stehen können.
    »I hau da ane in die Goschn«, sagt der Beamte und der Fuselgeruch strömt mir ins Gesicht. Dann sticht er einen mit einer Nadel in den Rücken.
    »Na, du Oarschloch, wehr di«, provoziert er.
    Ich lege meine Hände um das eiserne Bettgestell und schließe die Augen. Krachend schlägt die Türe zu, wird gesperrt, Riegel schnappen ein. Es ist kein Spuk, aber es ist vorüber – bis morgen.
    Haftprüfung. Ein Dreiersenat entscheidet, daß ich in Haft bleibe. Fluchtgefahr. Zwei Richter malen Männchen, der dritte gähnt. Die Staatsanwältin zählt Vorstrafen auf; nicht Fakten. Und wieder Monate.
    »Ich liebe dich«, sagt Stella.
    »Ich liebe dich«, sage ich.
    Die Fingerspitzen, mit Mühe aneinandergelegt, sind eiskalt.
     
    »Sie haben zwei Mädchen zu lesbischen Spielen gezwungen«, sagt zum ich weiß nicht wievielten Male der Untersuchungsrichter. Seine Augen glänzen, und die junge Schriftführerin wetzt unruhig vor der Schreibmaschine.
    »Gezwungen,

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