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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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Mehlspeisen mit leiser, verschwörerischer Stimme und schnellen, wachsamen Blicken.
    »Ich bringe dir einen Topf voll«, ruft Helmut über zwei Etagen zu Schurl, der sich auf Nord 2, dem Lebenslangenstock, über das Geländer beugt. Der Wachinspektor, der die Essenausgabe überwacht, verzieht das Gesicht.
    »Bleibt denn etwas über«, fragt er den Küchengefangenen, der das Essen ausgibt.
    »Es bleibt genug«, sage ich. Oft läßt dieses Schwein die Kessel mit dem übriggebliebenen Essen in die Küche zurücktragen – besonders bei Knödel und Powidltascherln. Diesmal nickt er gnädig.
    Das Essen in der Strafanstalt ist gut. Viel besser als der Schweinefraß in der Karlau. Die Portionen sind aber klein. Satt essen können sich nur die an der Quelle. Dort gibt es auch Leckerbissen zu organisieren.
    Wenn Paul, der Fleischhauer, Schweine schlachtet, kommt es zu sonderbaren Disputen mit dem aufsichtsführenden Beamten. Dieser geht natürlich einmal auf einen Schluck, oder pissen, oder dreht sich bloß mal um.
    »Wo ist die Leba von dera Sau«, schreit er und starrt grimmig in das Innere des teilweise zerlegten Schweines.
    »Des waß i net«, Paul hebt die Schultern. Seine Gebärde drückt absolutes Unwissen aus. Er schaut sich zu seinem Helfer um.
    »An Augenblick net hinschaun und scho is was gstoin … oiso wo ist de Leba«, brüllt der Beamte nun beide an.
    »I … waß a net … oba vielleicht hots goar kane gehobt … des sois jo gebn … hob i ghert«, stottert der Helfer. Dem Beamten verschlägt es die Sprache. Jedoch nur für einen Augenblick. Dann brüllt er los,
    »du Volltrottel, du blöder, wüllst du mi eigentlich füa teppat vakaufn … entweda taucht de Leba auf oda es gehts olle zwa Sacklpickn.«
    Mit rotem Kopf schießt er in dem kleinen Betonviereck auf und ab, in dem geschlachtet wird. Die beiden Gefangenen sehen einander tief an … Vielleicht taucht die Leber auf, dann verschwindet das Herz, die Nieren, der Kopf, dann die Stelzen. Die Beamten brüllen sich heiser, drohen und suchen, finden nicht das geringste. Die Gefangenen wissen von nichts …
    »Heast, i muaß den blondn Buam hobn … wos valaungst«, sagt er Samstag vormittag beim Einrücken nach dem Spaziergang zu mir. Er – das ist Erwin, vierzig Jahre alt, seit zwanzig Jahren in Haft. Er hat lebenslänglich wegen Doppelmordes. Er möchte unbedingt einen der jungen Gefangenen ficken. Dieser liegt auf Nord 3. Unerreichbar für Erwin. Ich soll das managen. Er weiß, ich kenne den Jungen gut. »Eine Stange Zigaretten«, sagt er. Seine Hände umklammern das Geländer. Erwin ist blaß, hefenfarbig, wie ein Sack graues Mehl.
    »Zwei«, sage ich. »Zwei, gut«, sagt er.
    »Zwei Stangen, und schick deinen Zweiten morgen in die Messe. Um halb neun bringe ich dir den Jungen, dann hol’ ich mir auch die Zigaretten«, sage ich. Er geht murrend, aber zufrieden. Hinter diesem Jungen läuft er jetzt seit drei Monaten vergeblich her. Ich habe keine Ahnung, was er ihm schon alles geboten hat, aber an diesen Jungen kommt er nur über mich heran.
    Der Junge kam vor sechs Monaten in die Anstalt. Zwanzig Jahre alt, glatt, mit rundem Hintern und fliehendem Blick. Ich holte ihn mir ein paarmal zum Helfen und beobachtete ihn. Dann ließ ich mir einen ablutschen. Er wehrte sich nur kurz. Nach zwei Ohrfeigen begann er zu weinen und zu saugen. Ich schickte ihn dann zu Leo. Der brachte ihm das Blasen anständig bei. Um ihn als erster ficken zu können, bezahlte Walter, der Kirchendiener, an einem Donnerstag zu Mittag zwei schön blanke Hunderter. Jeder achtzehn Pakete Tabak zum Tageskurs. Walter hat zehn Jahre und einen kleinen Schwanz. Er hat den engen, straffen Knabenhintern nicht verletzt. Der Junge hatte zwar ein bißchen geweint, aber inzwischen hat er sich daran gewöhnt, daß ich ihn manchmal vermiete.
    Am nächsten Tag sage ich zum Hausarbeiter von Nord 3: »Der Klane von 13 bleibt auf da Zölln.« Der nickt.
    Ich warte, bis die Leute zum Kirchgang aus den Zellen geholt werden. Vorsichtig schleiche ich die Treppen hoch. Vor der Zelle hole ich meinen Sperrhaken aus der Hosenschlitzleiste. Nicht den kleinen für die Speiseklappen, der steckt in den Schuhen, sondern den großen für das Türschloß. Leise schnappt die Türe auf. Der Junge sitzt am Bett. Er ist nicht angezogen, hat nur Hemd und Unterhose an. Vielleicht glaubt er, ich möchte ihn ficken. Vor einigen Tagen hat mir einer seiner Kunden so etwas angedeutet.
    »Los, zieh dich an«, sage ich.

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