Der Minus-Mann
fünf Uhr.
Der Jugoslawe deutet auf seiner Uhr auf die Sieben.
Um halb acht bin ich gewaschen und voll Sehnsucht nach ihr.
Von einem Telefonautomaten an der Tramhaltestelle rufe ich sie an.
»Heute nicht, ich bin ganz todmüde … natürlich lieb ich dich … auch bis morgen …. abends … holst du mich ab … Bussi«, sagt sie.
Bei dieser Arbeit verdiene ich, wenn ich täglich zwei Überstunden mache maximal neunhundert Schillinge. Für mein Hotelzimmer zahle ich pro Tag zweihundert. Also, sofort eine billige Untermiete suchen. Dazu brauche ich Zeit, die hab ich zwar gehabt, aber verplempert, nun, ich werde anderntags mal in der Firma fragen.
»Ich dachte, Sie wohnen in dem Heim in der G-Gasse«, sagt der Personalchef erstaunt, als ich ihn wegen einer Wohnmöglichkeit frage.
»Nein, dort ist es mir zu dreckig«, sage ich.
»Ja, wenn Sie Ansprüche stellen, es wohnen doch einige der Leute, die bei uns arbeiten, dort«, sagt er und schaut mich sonderbar an.
»Vielleicht stört die der Dreck nicht«, sage ich und meine es so.
»Das sind sehr brave Arbeiter, da können Sie sich ein Bespiel nehmen, das können Sie mir glauben«, sagt er aufgebracht.
»Das glaube ich Ihnen gerne«, sage ich.
»Also, wegen eines Zimmers, ich weiß da nichts, aber wollen Sie nicht doch …«, sagt er.
»Nein«, sage ich und gehe.
Walzenwaschen. Jedes Druckungetüm hat – ich weiß nicht genau, wie viele, jedenfalls viele, und die werden, nachdem jeden Tag gedruckt wird, auch jeden Tag dreckig, das heißt, circulus vitiosus, bis zum Ende meiner Tage werde ich hier Walzen waschen und Papier transportieren. Himmelarsch und Wolkenbruch, habe ich Säcke geklebt, ich habe mich in den Bau sperren lassen, weil mir das zu idiotisch war, und jetzt ziehe ich in der sogenannten Freiheit am selben Strang.
Eine Welle spült mich fort. Wut und Haß blockieren mir für Sekunden den Blick. Es ist mitten am Nachmittag. Ich dusche, wechsle meine Klamotten und stürze aus dem Haus.
»Sagen Sie denen in der Personalabteilung, sie sollen mir morgen das Geld herrichten – ihre Walzenwäscher sollen sie sich vom Idiotenhügel holen!« sage ich zu dem Portier. Er zwinkert entgeistert.
Die Kleider werfe ich in den nächsten Koloniakübel. Aus, Schluß – wenn da nichts anderes ist, scheiß ich auf arbeiten.
»Dann sehen wir eben in der Zeitung nach, ob wir etwas Besseres finden, hm«, sagt sie und legt ihre Hand an meine Wange.
Wir sitzen in einem heimeligen Lokal. An der Wand lachen die lustigen Gesichter dicker Mönche. Ich bin gelöst und froh. Die Wut ist vergessen, ihre Augen sind blau wie ein Postkartenhimmel. Sie erzählt dann aus ihrem Leben, ich höre ihre netten Geschichten, der Tag ist leicht und glatt. Wir essen und trinken Rotwein, und oft sagt sie ›wir‹ und ›werden‹ – die Zukunft faltet zaghaft, hauchzarte Flügel.
Später begleite ich sie. Ich gehe nicht mit ihr hinauf. Aber etwas ist nicht glatt, etwas stimmt in dieser ganzen verfluchten, selbstverständlichen Sauberkeit nicht … aber was … was stimmt nicht?
Im Schwedenespresso hole ich meinen Führerschein ab – zwölfhundert –, saubere prompte Arbeit, dann fahre ich in die ›Orchidee‹.
Der Zerknitterte holt Manuela. Sie schaukelt durch die Schwungtüre. Ist besoffen.
»Liebling, wartest du auf mich? Dein Schnuckiputzi hat sich so gesehnt«, kugelt sie mit glasigen Augen hervor.
Was mache ich hier, was? Plötzlich werde ich zur Seite gestoßen. Ich pralle gegen das Mädchen. Zwei Männer drängen eilig in das Lokal. »Kennst du die?« frage ich den Mann hinter der Garderobe. Er schüttelt den Kopf. »Sind Strizzi.«
Dann kommen sie aus dem Lokal. Ich schlage den ersten gegen die Nase. Er taumelt. Der zweite springt zur Seite und zieht ein Messer. Ein schmales, langes Fixiermesser. Er ist klein und gedrungen, mit verzerrtem Lächeln lauert er vornübergebeugt. Seinen ersten Stoß kann ich mit dem dicken Vorhang, der den Eingang abdichtet. abfangen. Meinen Tritt bekommt er ans Knie. Er stößt wieder zu und wechselt unmittelbar das Messer von rechts nach links. Mein Abwehrschlag trifft ungenau, das Messer sticht durch die Jacke in der Oberarm. Mit der Linken treffe ich dann voll seine Schläfe. Ich springe durch die Türe ins Freie und laufe durch ein paar Gassen. Die Wunde ist nicht tief, und ich binde ein Taschentuch darüber.
In einer Bar am Naschmarkt warte ich auf den Tag und trinke. Später gehe ich durch den Stadtpark, eine blasse Sonne versucht,
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