Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers

Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers

Titel: Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Altmann
Vom Netzwerk:
möglich sehen. Ich hoffe, es ist dir recht, wenn sie hierherkommt.«
    »Ist schon in Ordnung«, meinte er. »Wenn du willst, kannst du heute hier schlafen.«
    »Danke Aisun, du bist wirklich ein wunderbarer Mensch. Ich bin froh, dass Marc dich getroffen hat.«
    Willma konnte ihren Blick nicht von diesem Bild lasse. Fassungslos starrte sie in das fremde Schlafzimmer. Sie traute ihren Augen nicht. Marc, ihr bester Freund, der nur noch Haut und Knochen war, lag mit einem Kind da und schlief. Beschützend hatte er die Hand um Li gelegt. Vorsichtig schloss Rachen wieder die Schlafzimmertür.
    »Er sieht ja furchtbar aus«, brach es nun endlich aus ihr heraus. »Und wer ist das Kind?«
    Rachen setzte sich an den Küchentisch und schenkte ihnen Kaffee ein. »Das ist das Kind einer Freundin, die anscheinend gestern gestorben ist.«
    Willma standen die Tränen in den Augen. »Was muss dieser Mensch denn noch alles miterleben? Hat er nicht schon genug gelitten?«
    Rachen drehte sich zum Fenster. Er selbst war so bestürzt über das alles, dass er am liebsten davongelaufen wäre. Lange saßen sie schweigend nebeneinander und jeder versuchte, auf seine Weise, diese Situation zu begreifen. Kurz nachdem Aisun gegen Mittag ins Krankenhaus gegangen war, stand Willma vor der Tür. Rachen hatte gar nicht gewusst, wo er mit seinen Erklärungen anfangen sollte. Er musste das Ganze ja selber erst verarbeiten.
    »Willma!?« Marc stand im Türrahmen und blinzelte in die grelle Morgensonne, die in der Küche schien. Er trug Li auf dem Arm.
    »Marc!« Willma blieb wie versteinert auf ihrem Platz sitzen.
    Es entstand eine lange Pause. Er musste etwas tun. Er konnte sich jetzt nicht einfach hinsetzen und reden. So stellte er einen Topf auf den Herd und holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser. Marc konzentrierte sich auf diese Aufgabe.
    »Li hat Hunger«, entschuldigte er sich. »Sie braucht ihre Flasche.« Nun setzte er sich zu den beiden und wiegte Li im Arm.
    »Wo ist Aisun?«, fragte er Rachen.
    Immer noch saß Willma schweigend auf ihrem Stuhl und beobachtete ihren besten Freund.
    »Er ist ins Krankenhaus gegangen.«
    »Danke, Willma«, brach es plötzlich aus Marc heraus. »Danke, Rachen. Danke, dass ihr mich nicht vergessen habt.«
    Die beiden schwiegen. Er deutete mit seinem Kopf auf Li und meinte: »Für dieses kleine Mädchen bin ich ab jetzt verantwortlich.« Er blickte mit hohlen Augen auf das Kind, sein Gesicht war spitz und eingefallen »Ihre Mutter ist gestern gestorben.« Wieder entstand eine lange Pause. Von einer Sekunde auf die andere überfiel ihn wieder eine große Müdigkeit, er konnte die Augen kaum offenhalten. Willma entging das nicht, und sie forderte ihn auf, sich wieder hinzulegen.
    »Ja, das ist eine gute Idee. Willma, kannst du die Kleine füttern?«
    Willma nahm ihm das Baby ab, und Marc trottete zurück ins Schlafzimmer. Sie stand auf und kümmerte sich um den Brei.
    »Er braucht jetzt unsere Hilfe. Und viel Zeit«, sinnierte sie vor sich hin.
    Rachen stand auf und fragte Willma: »Was sollen wir jetzt tun?«
    Sie blickte ihn aus ihren großen Augen an und antwortete: »Ich habe keine Ahnung.«
    »Und du bist dir sicher? Ich meine, willst du dir nicht noch ein paar Tage Zeit lassen und dich dann entscheiden?«, Rachen hielt Marcs Hände fest in seinen, während er eindringlich auf ihn einredete.
    »Ja, Rachen, ich will für Li sorgen, das habe ich schon entschieden. Lass uns jetzt nicht mehr darüber reden. Bitte! Ich muss das Begräbnis organisieren und den ganzen Papierkram erledigen.« Marc hatte wieder Kraft. Wo er sie hernahm, wusste er selbst nicht. Er war sich aber sicher, dass er sie in den nächsten Tagen brauchen würde.
    »Rachen, wenn du mir wirklich helfen willst, dann schau, dass sie mir Li nicht wegnehmen. Das würde ich ehrlich nicht mehr verkraften.« Er stand auf und umarmte Rachen zum ersten Mal wieder ganz bewusst, und drückt ihn so fest, dass dem fast der Atem wegblieb.
    Himmel und Erde sind mein Sarg; Sonne und Mond sind meine Schätze; die Sterne sind meine Edelsteine. Und die ganze Welt begleitet mich bei meinem Begräbnis. Ist das nicht genug? Gibt es etwas Großartigeres?
    Marc kniete im Tempel, Li auf seinem Schoß. Hinter ihm saßen Willma, Rachen und Aisun. Gespannt hörte er auf diese Worte. Unablässig wiederholten sie die Mönche in ihrem monotonen Sprechgesang. Tia war an der Stirnseite des Tempels aufgebahrt. Es schien, als schwimme sie schlafend auf einem Blumenmeer.

Weitere Kostenlose Bücher