Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
zu sein, noch eine OP fehlte. Dann fügte er leise hinzu: »Ich wünschte, ich hätte genug Geld, mir auch ein neues Leben zu kaufen!«
Rachen nahm Marc auf die Seite und küsste ihn ganz zärtlich.
»Siehst du«, sagte er. »Siehst du, dass es sich lohnt, auf dich zu warten.« Marc blickte in Rachens Augen und spürte dessen Seele.
Marc hatte in dieser Nacht kein Auge zugetan. Stundenlang beobachtete er den schlafenden Rachen. Streichelte ihn, küsste ihn zärtlich. Er hatte ihn am Vortag belogen, hatte ihm erklärt, dass sein Flugzeug erst am Nachmittag ginge. Marc hasste Abschiede. Er weckte Christian. Die Koffer hatten sie schon am Vortag gepackt. Sie machten sich bereit. Rachen schlief. Gott sei Dank. Denn wenn er jetzt Marc gefragt hätte, ob er bliebe, hätte er Ja gesagt. Also ließ er ihn schlafen. Das Taxi wartete schon vorm Haus. Er stellte die Taschen raus, damit der Taxifahrer sie verstauen konnte.
Leise schlich er sich noch mal in das Schlafzimmer. Streichelte noch einmal über Rachens Wange und flüsterte ein stummes »Ich liebe dich.« Plötzlich kam er sich feige vor, doch er konnte nicht anders. Der Kloß in seinem Hals tat immer mehr weh. Er holte tief Luft und stieg ins Taxi. Er konnte jetzt nicht sprechen. Christian suchte seine Hand, aber er zog sie weg. Marc war plötzlich alles zu viel. Er wollte nur so schnell wie möglich ins Flugzeug steigen. In Bangkok schrieb er Rachen noch ein SMS, bevor er umstieg: Ich konnte nicht anders. Ich hasse Abschiede! Ich liebe Dich – Dein Marc. Es dauerte keine 30 Sekunden, da bekam er schon die Antwort: Siehst Du, Du musst erst erwachsen werden;-) dann haben wir beide auch eine Zukunft. Du bist noch in meinem Land, aber Du fehlst mir jetzt schon so sehr! Ich warte auf Dich – Dein Rachen.
3.
Er schaute nervös auf die Uhr. Zwanzig Minuten hatte sie sich wirklich noch nie verspätet! Das hektische Treiben ging spurlos an ihm vorüber. Er saß mit seinen Flipflops in dem kleinen Restaurant, in dem sie sich oft trafen. Heute im Club war er ein paar seiner Kollegen begegnet. Sie sprachen über Verletzungen und über die bevorstehende Saison. Ihn wunderte es, dass das Leben hier einfach so weiterlief. Jeder war so wie vor seinem Urlaub. Keiner hatte sich auch nur irgendwie verändert. War er der Einzige? Er war nicht mehr der Alte. Aber es fiel niemandem auf. Hier in Europa war jeder so mit sich selbst beschäftigt, dass solche Nuancen unerkannt blieben. Er war froh darüber.
Wo bleibt sie bloß? Vom Nebentisch sahen ein paar Leute zu ihm herüber und steckten dann die Köpfe zusammen.
»Entschuldigung, Marc!« Er blickte auf und sah direkt in ein wunderschönes, aber abgehetztes Gesicht.
»Willma!« Er stand auf und umarmte sie, viel länger und intensiver als sonst. Er streichelte ihr übers Gesicht und sagte: »Du hast mir so gefehlt, meine Kleine.«
Willma war von dieser stürmischen Begrüßung etwas überrascht. Sie setzten sich, und sofort war der Kellner zur Stelle.
»Möchtest du Wein?«, fragte Marc und hielt dabei immer noch ihre Hände.
»Gerne, rot und trocken«, erklärte sie dem Kellner.
»Und für mich das Gleiche«, sagte jetzt Marc.
Der Kellner verließ ihren Tisch, und sie waren endlich alleine.
»Bist du da drüben zum Alkoholiker geworden?«, fragte sie in ihrer geraden Art. »Du hast doch noch nie mit mir so früh am Tag Wein getrunken.«
Marc grinste sie an und meinte nur: »Vielleicht?«
Willma wollte sofort alles bis ins kleinste Detail erzählt bekommen.
»Jetzt komm erst mal an.«
»Ich bin so froh, dich zu sehen, Marc, mein kleiner Sonnenschein.«
»Und du willst sofort über andere Dinge sprechen. Jetzt bist erst mal du an der Reihe.«
Willma fiel sofort die Veränderung an Marc auf, sprach es aber nicht an.
»Wie geht’s dir denn im Krankenhaus?«
»Dieser Schichtdienst ist ziemlich gewöhnungsbedürftig, aber ein paar Kollegen sind ganz nett. Außerdem lerne ich echt viel, und die Arbeit mit Patienten ist genau das, was ich wollte.«
Der Kellner brachte den Wein. Er hielt Willma das Etikett hin, sie nickte, und Marc musste grinsen. Denn Willma verstand so viel von Wein wie er von Gynäkologie. Ihr wurde das Glas mit einem kleinen Schluck gefüllt. Sie nippte und nickte sofort. Der Kellner füllte nun beide Gläser. »Jetzt mach nicht so eine Zeremonie daraus, gibt uns den Wein und hau ab«, war in Willmas Gesicht sehr deutlich zu lesen. Aber da waren sie auch schon wieder ungestört. Sie sah Marc
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