Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
nicht bemerkt, dass sein Programm zu Ende war und der Computer schon eine ganze Weile piepste.
»Nein«, erwiderte Marc und stieg von der Foltermaschine. »Wie geht’s Irma?«, fragte er. »Sieht man schon den Bauch wachsen?«
Die beiden gingen unter die Dusche.
»Gut«, antwortete René. »Es sind ja immer nur die ersten ein, zwei Monate, in denen die Hormone verrückt spielen. Jetzt ist sie echt ruhig.«
Marc war aufgefallen, dass René seit dem Ausflipper in der Garderobe zurückhaltender geworden war.
»Übrigens, René, es tut mir leid, dass ich dich während des Spiels so angeschossen habe.«
Man merkte, wie René auf diesen Moment gewartet hatte. Marc wusste, dass er nicht halb so hart war, wie er sich gab.
»Ist schon vergessen. Ich habe nur nicht verstanden, warum du diese Schwuchteln verteidigen musstest!«
Marc machte eine kleine Pause, bevor er antwortete: »Weißt du, René, weil ich denke, dass es total beschissen ist, über irgendjemanden blöd zu reden, den du gar nicht kennst. Oder hat dich mal ein Schwuler belästigt oder dumm angemacht?«
René frottierte sich gerade den Kopf. Als er damit fertig war, guckte er Marc an und erklärte: »Natürlich nicht. Aber man weiß ja, dass die total heftig drauf sind.«
»Woher weißt du das?«, wollte Marc wissen.
»Keine Ahnung«, tat René das Thema ab, das ihn sichtlich nervte.
Als Marc sich fertig angezogen hatte, überlegte er, ob er noch etwas sagen sollte. Er entschied sich zu schweigen. Das würde ja nichts bringen, dachte er und verabschiedete sich.
Marc beobachtete den Regen auf seiner Terrasse. Langsam bahnten sich die Tropfen ihren Weg über das Glas der Schiebetür nach unten und bildeten ein kleines Rinnsal. Er wusste nicht, wie lange er so dastand und seinen Gedanken nachhing. Nur das Handy in seiner Hand erinnerte ihn an die Realität. »Ja, Vater! Ich werde mich zusammenreißen. Gut, wenn du willst, spreche ich noch mit den Spaniern!«
Er schleuderte sein Handy in die Ecke und stellte sich unter die Dusche. Das kalte Wasser holte ihn wieder zurück. Langsam begann er, seinen Vater zu hassen. Diesen zusätzlichen unausgesprochenen Druck, den er von ihm immer wieder zu spüren bekam. Er war doch nicht sein Spielball. Oder doch? Aber für Selbstmitleid hatte er jetzt keine Zeit. Er war nervöser als vor einem Länderspiel. Heute werden die Entwürfe der neuen Webekampagne vorgestellt. Und er befürchtete, sich so nackt zu fühlen, wie er ja auf den Plakaten wirklich war. Schnell trocknete er sich ab. Und rein in die neuen Klamotten, die er von einem bekannten Modelabel zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Natürlich wieder von seinem Vater organisiert. Er musste lachen, wenn das so weiterging, würde er bald als lebende Litfaßsäule durchs Leben marschieren.
Die Halle war fast voll. Marc bahnte sich den Weg durch die Massen. Er war auf der Suche nach Willma. Ganz besonders heute brauchte er sie in seiner Nähe. Endlich erkannte er ihren Wuschelkopf in der Menge. Er winkte und versuchte, sich den Weg zu ihr zu bahnen. Immer wieder wurde er von Menschen, die er zum ersten Mal in seinem Leben sah, aufgehalten, doch er wollte nur so schnell wie möglich zu seiner Freundin. Marc umarmte sie intensiver und länger als gewohnt. So, als hätte er Angst, sie zu verlieren. Ein wenig irritiert, aber glücklich, erwiderte Willma seine Umarmung und flüsterte ihm ins Ohr: »Du siehst gestresst aus? Ist irgendetwas vorgefallen?«
»Nein, nichts Spezielles, nur die gesamte Situation«, flüsterte Marc zurück, ohne sie loszulassen, »und langsam geht mir das ganze Theater hier auf die Nerven. Ich bin so froh, dass du kommen konntest!«
Endlich löste er sich von ihr, und Willma erklärte, während sie ihr Kleid wieder in Form brachte: »Darf ich dir Simon vorstellen?«
Marc hatte vollkommen vergessen, dass Willma ihn ja heute mitbringen wollte.
»Hallo Simon, freut mich sehr, dich kennenzulernen!« Er streckte dem charismatischen Begleiter Willmas die Hand zur Begrüßung entgegen.
»Hallo, ich freue mich sehr. Willma hat schon so viel von dir erzählt.«
Marc wandte sich zu Willma und meinte: »Ich hoffe nur Gutes.«
Tom kam, und sie mussten ihre Unterhaltung verschieben, denn Marc musste mit ihm aufs Podium, um die Präsentation zu eröffnen. Er wurde nervös. Tom beruhigte ihn und versicherte, er brauche ja nur ein paar Worte sprechen, den Rest würde sein Chef übernehmen. Und er versprach, in seiner Nähe zu bleiben. Die
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