Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
jetzt nicht angebracht. Immerhin war dieses Leben seine Entscheidung. Die einzige Möglichkeit, dies zu überleben, war, sich ausschließlich auf das Spiel zu konzentrieren.
Das Hotelzimmer war wie Hundert andere auch. Marc versuchte, Willma zu erreichen. Den einzigen Menschen, dem er in Europa noch vertraute.
»Hallo Marc. Ich habe den Artikel gelesen … Wie geht’s dir?« Willma klang sehr besorgt.
»Du kannst dir nicht vorstellen, was hier los ist. Der Artikel hat eingeschlagen wie eine Bombe. Dabei bestand der Artikel nur aus Andeutungen! Das Wort Schwul ist nicht mal vorgekommen. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn sie je etwas über mich herausfinden …« Er setzte sich aufs Bett und schenkte sich Wasser ein.
»Marc, du musst vorsichtig sein! Simon und ich machen uns wirklich Sorgen um dich. Woher haben die überhaupt das Foto? Ich meine, glaubst du Tom hat vielleicht selbst …? Was, wenn Tom denen etwas von dir erzählt?« An Willmas Stimme merkte man, dass sie furchtbar Angst um ihren Freund hatte.
»Ich kann dir nicht sagen, woher sie das Foto haben, und ich weiß nicht, ob Tom etwas damit zu tun hat«, er klang resigniert. »Marc, meinst du Antonio könnte eventuell mit der Presse gesprochen haben?«
»Willma, ich weiß es wirklich nicht.«
»Oh Gott, wenn es Antonio war …. Und ich habe dich ihm auch noch die Arme getrieben … Marc, ich war betrunken, ich hab echt nicht nachgedacht, das werde ich mir nie verzeihen!«
Marc unterbrach sie: »Wir wissen doch gar nicht, ob es Antonio war oder Tom oder … sonst wer. Ich weiß nur, dass ich plötzlich behandelt werde wie ein Aussätziger. Was soll ich jetzt nur machen?«
Eine Pause entstand. »Wenn wir dir irgendwie helfen können, sag es. Aber bitte sei vor allem mit den Presseleuten vorsichtig. Du musst verdammt aufpassen!«
Da war es mit seiner Beherrschung vorbei. Er heulte los. »Willma, ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wie die zu dem Foto gekommen sind. Es ist so widerlich. Ich sitze hier in einem Hotelzimmer, morgen ist ein wichtiges Spiel, und jeder meiner Kollegen meidet mich. Ich hab das Gefühl, ich schaff das alles nicht mehr.«
Da hörte er Willma wieder: »Wo bist du genau? In München? Gut, dann kommen wir morgen zum Spiel. Dann hast du wenigstens das Gefühl, es sitzen zwei Menschen in deiner Nähe, die zu dir halten.«
Marc schluchzte: »Das kann ich doch nicht von euch verlangen.«
Willma klang entschlossen: »Keine Widerrede. Du musst uns nur Karten auf die Seite legen lassen.«
Marc hatte keine Kraft mehr zu widersprechen. Das Einzige, das er noch hervorbrachte, war ein leises »Danke«.
Nachdem sie aufgelegt hatten, ging Marc das Gespräch nicht mehr aus dem Kopf. Hatte Tom etwas mit dem Artikel zu tun? Wer könnte ihnen sonst das Foto gegebene haben? Etwa Antonio? Er dürfte wirklich niemandem mehr vertrauen. Die Gedanken ratterten in seinem Kopf und er konnte sie nicht stoppen. Er hatte Angst, paranoid zu werden. Oder war das alles wirklich real?
Jedes Mal wenn er ein Stadion betrat, hatte dies ein wenig von einer Gladiatorenarena. Und bisher hatte er immer das Gefühl gehabt, das Publikum stünde hinter ihm. Heute war er nervös. Er wusste nicht, was passieren würde. Niemand hatte mit ihm gesprochen. Nicht einmal Jan, der ansonsten immer hinter ihm stand. Trotz allem konnte sich Marc zusammenreißen. Noch fand er die Kraft, sich in diesem Augenblick aufs Wesentliche zu konzentrieren. Und das war, gut Fußball zu spielen. Alles rund um ihn herum blendete er aus. Das Spiel war es, das in diesem Augenblick zählte. Seine Leistung war es, mit der er zu überzeugen versuchte.
Selbst in der Pause ließen sie ihn links liegen. Aber es war egal, zumindest in diesem Moment. In der zweiten Halbzeit erarbeitete er einige Torchancen. Obwohl sich die gegnerische Mannschaft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften wehrte. Kurz vor Schluss kam es zu einem Elfmeter. Marc richtete sich den Ball und konzentrierte sich. Doch aus der Ferne war der Chor der gegnerischen Fans nicht zu überhören.
»Schwuchtel, Schwuchtel!!«, hallte es im ganzen Stadion.
Nun schloss er die Augen. Er bildete sich ein, wenn er jetzt den Ball ins Tor brächte, dann erlangte er wieder Achtung von diesen Menschen. Nun wurde es still. Marc setzte sich in Bewegung, schoss und drehte sich weg. Er hatte nicht mehr die Nerven hinzugucken. Erst einige Zeit später registrierte er, dass er den Treffer erzielt hatte. Das
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