Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
richtig, was du da machst. So ein guter Spieler wie du sollte sich nicht seine Karriere verbauen lassen.«
Marcs Handy klingelte. Er schaute auf das Display. Christian. Seine Hände begannen zu schwitzen, es kribbelte in seinem Bauch, aber er drückte den Anruf weg. Jan beobachtete ihn ganz genau. Als Marc wieder aufblickte, fuhr Jan fort: »Okay, dann bestellen wir diese Pressearschlöcher heute nach dem Training in den Verein.« Er wollte zahlen und gehen, doch Marc hielt ihn zurück. »Ich möchte noch wissen, was das Team zu alldem sagt.«
Jan setzte sich wieder. »Sie sind alle ziemlich baff. Jeder versucht, das Thema tunlichst zu vermeiden. Und René ist vollkommen daneben. Beim Heimflug hat er kein Wort gesprochen, und wenn ihn jemand ansprechen wollte, ist er total ausgerastet. Marc, wir müssen das auch für die anderen wieder geradebiegen.« Er schaute nervös auf die Uhr. Und stand wieder auf.
»Lass nur, geh, wenn du es eilig hast. Noch etwas. Danke, Jan. Ich mag dich wirklich sehr. Ich halte viel von dir als Trainer und vor allem als Mensch, deshalb weiß ich, dass du mich verstehen wirst. Ich weiß das ehrlich zu schätzen, dass du so loyal zu mir stehst.«
»Ist doch klar.« Und mit diesen Worten verließ Jan schleunigst das Café.
Marc lehnte sich zurück, atmete tief durch und hörte dann seine Mailbox ab. Hallo, hier ist Christian. Ich habe in der Zeitung gelesen, was los ist. Ich wollte, dass du weißt, dass, wenn du etwas brauchst, du mich anrufen kannst. Es tat weh, Christians Stimme und seine fürsorglichen Worte zu hören. Marc schnürte es alles zusammen. Warum nur, dachte er. Warum habe ich Christian nicht zu einem anderen Zeitpunkt kennengelernt? Er musste da alleine durch. Er durfte ihn da nicht hineinziehen. Dafür hatte er Christian viel zu sehr verletzt.
»… und daher bitte ich sie, sich auf meine Leistungen auf dem Feld zu konzentrieren und mein Privatleben auch als solches zu respektieren. Vielen Dank.«
Schnell stand Marc auf und verließ unter Blitzlichtgewitter den überfüllten Presseraum. Sein ganzer Körper zitterte, er musste sich irgendwie abreagieren.
So steuerte er den Kraftraum an. Er zog sich schnell um und stellte sich aufs Laufband. Er lief und lief. Minute um Minute, um zu vergessen. Um wegzulaufen von all dem, das ihn langsam aber sicher total zermürbte. Nach einer Ewigkeit ging die Tür auf und ein paar Spieler betraten den Trainingsraum. Unter ihnen auch René. Marc lief weiter, ohne sie zu beachten. Der Schweiß rann in Bächen über seinen Körper. Als er kurz vor dem Zusammenbrechen war, stoppte er abrupt.
»Seid ihr nun zufrieden?«, fuhr Marc seine Teamkollegen an. »War die Pressekonferenz so für euch in Ordnung?« Langsam kam er wieder zu Atem. »Ich meine, wollt ihr überhaupt noch mit mir zusammenspielen?«
Er blickte in die Runde. Betretenes Schweigen.
»Also, wenn es für euch zu unerträglich wird, sagt es mir.« Er ging langsam zur Tür. Bevor er sie öffnete, drehte er sich nochmals um. »Ach ja, ich wollte mich für euren Beistand bedanken. Echt super, wie ihr hinter mir steht und dass ihr alle auf die Pressekonferenz gekommen seid.«
Marc knallte die Tür hinter sich zu. Er wusste nicht mehr, was ihn in letzter Zeit am meisten verletzt hatte. Aber dass keiner seiner Kollegen heute an der Konferenz teilgenommen hatte, war echt hart für ihn. Er ging in die geschlossenen Duschen, denn er wollte niemanden in Verlegenheit bringen.
Nach dem Abendtraining, das er so professionell wie möglich bewältigte, fuhr er nach Hause. Vor Müdigkeit konnte er nichts essen. So setzte er sich an seinen kleinen Küchentisch und starrte über die Dächer ins Nichts. Er war ganz ruhig. Er nahm sich vor, morgen nett zu seinen Kollegen zu sein. Dieses ganze beleidigte Getue brachte ja nichts. Mit diesen Gedanken fiel er in einen tiefen Schlaf.
Das Training lief gut. Es gelang ihm, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und seine Vereinskollegen freundlich zu behandeln. Er hatte das Stadion mit Fassung betreten. Er musste mit allem rechnen. Doch seltsamerweise hörte er keinen Spott von den Zuschauertribünen, und die Teamkollegen schienen ihn sehr behutsam zu behandeln. Kurz vor der Halbzeit lauerte er in seiner Position auf einen Pass von René. Von der Seite erblickte er ein paar mit Vereinsfarben bis zur Unkenntlichkeit verschmierte Fans auf der Tribüne. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch als die Gruppe anfing, ihn zu beschimpfen. Immer
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