Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
Geheule und Gepfeife wurde immer lauter. Wieder erklang der Chor: »Scheiß Schwuchtel. Scheiß Schwuchtel.« Das Stadion tobte. Becher und andere Gegenstände wurden auf das Spielfeld geworden.
Marc steht immer noch elf Meter vor dem Tor und wird immer ruhiger. Was hat er anderes erwartet? Es ist jetzt einfach so, wie es ist. Die Welle der Aggression, die ihm von den Sitzreihen her entgegenschlägt, ist überwältigend. Jedes Mal wenn er sich nur einen Schritt bewegt, beginnen die Massen wieder zu grölen und ihn zu beschimpfen.
Er schaut auf die Trainerbank. In diesem Augenblick hat er keine Ahnung, wie’s nun weitergehen soll. Der Trainer gibt ihm ein Zeichen, und er geht ruhig auf ihn zu.
Das Stadionpersonal versuchte, die aufgebrachte Menge zu beruhigen – ohne Erfolg. Der Trainer sprach gerade mit dem Schiedsrichter, als Marc endlich bei ihm ankam.
»Ich muss dich rausnehmen«, war Jans erster Satz.
»Warum?«, fragte Marc ruhig. »Ich bring doch Leistung.«
»Spiel jetzt kein blödes Spielchen, Marc. Das hast du dir selbst zuzuschreiben!«
Marc verließ das Feld, ohne sich umzudrehen. In der Kabine wollten zwei Funktionäre mit ihm sprechen. Marc ignorierte sie. In aller Ruhe zog er sich seine verdreckten Klamotten aus und ging unter die Dusche. Wusch sich so gründlich wie noch nie. Er versuchte, den Dreck, den er da draußen erlebt hatte, runterzuwaschen, aber es gelang ihm nicht. Danach zog er seine Jeans und sein T-Shirt an.
Nun saß er da, geschockt von dem, was passierte, froh, dass es vorbei war, und leer. Er wollte auf keinen Fall nach dem Spielende seine Kollegen sehen. Dazu würde ihm die Kraft fehlen, das spürte er.
So verzog er sich in das Büro des Trainers. Er legte sich dort auf den Boden und schloss die Augen. Er konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war. Als die Tür aufgerissen wurde, richtete Marc sich urplötzlich auf.
»Was machst du denn hier?«, hörte er Jan fragen.
»Ich wollte die anderen nicht sehen«, brachte er mit brüchiger Stimme hervor.
»Okay«, der Trainer suchte nach den richtigen Worten. Der Schock stand auch ihm ins Gesicht geschrieben.
»Marc. Ich weiß nicht, was wir jetzt tun sollen. So eine Situation hatten wir noch nie.«
Marc sah ihn lange an. »Du tust ja so, als ob du sicher wärst, dass alles stimmen würde. Du glaubst also den Andeutungen in diesem Schmierblatt?«
»Und?«, fragte jetzt der Trainer, während er sich neben ihm auf den Boden setzte. »Stimmt es?«
»Frag ich dich, mit wem du ins Bett gehst?«, konterte Marc.
»Nein, aber es ist sicher eine Frau. Und in der Fußballwelt ist das das einzig Akzeptable.«
Plötzlich klopfte es stürmisch an der Tür.
»Lasst mich in Ruhe, ich habe jetzt keine Zeit«, schrie Jan.
Marc guckte zu ihm. »Ist das für dich auch so?«
»Meine Meinung zählt hier nicht«, erklärte er.
Aber Marc ließ nicht locker. »Ich möchte aber wissen, wie du darüber denkst. Das ist mir wichtig!«, setzte er noch nach.
»Marc, mir persönlich ist das nicht wichtig. Du bist ein netter, fleißiger Kerl, dem der Erfolg nicht zu Kopf gestiegen ist. Aber das tut nichts zur Sache. Wir müssen etwas unternehmen, das bin ich, das sind wir der Mannschaft schuldig. Ich kann das nicht so stehen lassen.«
Marc blickte nach unten und atmete tief durch. »Okay, wenn du meinst. Das bedeutet Pressekonferenz, oder?«
»Wird wohl darauf hinauslaufen«, erklärte Jan, während Marc aufstand und sich auf einen Stuhl setzte.
»Übrigens, ich gratuliere dir zum Elfmeter.«
Marc ging gar nicht darauf ein. »Ich möchte mich heute mit Freunden treffen und mich beraten. Morgen fahre ich dann mit denen im Auto nach Hause zurück. Ich würde dann gerne noch mal mit dir sprechen. Du kannst dich ja inzwischen mit dem Präsidenten zusammensetzen. Danach könnt ihr die Pressekonferenz einberufen.«
Marc wollte das Büro verlassen, es war alles gesagt. Da hielt der Trainer ihn aber kurz zurück. »Marc, ich möchte, dass du dir alles wirklich gut überlegst. Bisher sind alles nur lose Unterstellungen, aber … Du setzt damit deine ganze Karriere aufs Spiel. Und mir nimmst du damit vielleicht den besten Spieler, den ich je hatte.«
Marc sah ihm jetzt direkt ins Gesicht. »Ja, werde ich ganz sicher machen. Und danke für dein Verständnis. Ich weiß das wirklich zu schätzen.« Mit diesen Worten verließ er das Büro und versuchte, an der Kabine vorbei, in einen kleinen ruhigen Abschnitt zu gelangen. Um dort zu warten, bis alle
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