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Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers

Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers

Titel: Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Altmann
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Gesicht schmerzt ihn, die Wunde am Oberschenkel auch, aber er versucht, es zu ignorierten. Er empfindet den Schmerz bisweilen sogar als angenehm. Diese Schmerzen sind das Einzige, was er noch vom Leben spürt.
    Chinatown. Das bekommt er noch mit. Er muss sich setzen, er muss schlafen. Er geht in ein Hotel. Sie schmeißen ihn wieder raus. Er weiß nicht, wie ihm geschieht, und geht weiter. Er beginnt zu zittern. Er muss schlafen. Nur ein Ziel vor Augen: Schlafen. Kleine Kinder, lauter Lebensmittel, viel Smog. Er muss schlafen. Eine Absteige. Er geht hinein. Zahlt viel zu viel Geld. Er schenkt dem Zustand des Zimmers keine Beachtung. Das Bett, wo ist das Bett? Er bricht zusammen und schläft.
    Von draußen spürte man den Wechsel der Tageszeit. Es ist Spätnachmittag, und vor lauter Mopeds, Fahrrädern und Autos sieht er keinen Straßenbelag mehr. Das Zimmer hatte wohl noch keine guten Zeiten erlebt. Überall Flecken. überall alter Nikotingestank. Die Vorhänge oder das, was davon noch übrig ist, hängen schlaff vor den verschmierten Scheiben. Mitten in dieser Hölle liegt in dreckige Laken eingehüllte, ein Stück geschundener Mensch. Es ist schwer zu sagen, ob er noch lebt.
    Marc liegt auf seinem Bett und starrt an die Decke. Er weiß, dass er etwas trinken sollte. Aber er findet nicht die Kraft aufzustehen. Er wartet einfach ab, beobachtet und horcht, was das Leben oder das, was davon noch übrig geblieben ist, mit ihm vorhat. Die Reise hat ihn seine letzte Kraft gekostet. Aber er ist froh, dass er es geschafft hat. Er wollte verschwinden, wollte den unerträglichen Kontinent hinter sich lassen, in seine alte Heimat zurück. Entgegen aller Vernunft ist er hierhergekommen.
    Es klopft. Er wartet ab, was passiert. Ein alter fetter Thailänder kommt herein. Lautstark redet er auf Marc ein. Danach zieht Marc ein paar Geldscheine heraus. Gibt sie ihm aber nicht. Der Alte verlässt wütend das Zimmer und kommt nach ein paar Minuten mit einer Wasserflasche zurück. Marc gibt ihm das Geld für das Wasser. Er ist wieder alleine. Trinkt, einen Schluck, dann einen zweiten. Ist total erschöpft und schläft wieder ein.
    Es ist Nacht, und es ist laut. Schweißgebadet erwacht Marc aus einem Traum. Tränen rinnen ihm über die Wangen, aber nur ganz still und emotionslos. Er versucht, sich aufzusetzen. Alles schmerzt. Er sucht das Bad und schaut in einen fast blinden Spiegel. Ein Fremder blickt ihm entgegen. Geschwollenes Gesicht, Ringe unter den Augen, bleich. Er schleppt sich die Treppe hinunter und tritt auf die Straße. Der fette Thailänder schreit ihm irgendetwas hinterher. Marc hört ihn nicht und beginnt zu laufen. Durch dunkle kleine Gassen.
    Er sieht nichts. Er hat kein Ziel, aber er geht weiter. Angestrengt versucht er, einen Gedanken zu fassen, einen Plan zu schmieden. Er stellt sich neben einen Laden mit Hunderten Räucherstäbchen, atmet tief ein. Er will sich konzentrieren, aber es gelingt ihm nicht. Aus einer kaputten Wasserleitung spritzt eine Fontäne Wasser hoch in die Luft. Er schleppt sich dorthin, stellt sich unter den Strahl. So hofft er, zu sich zu kommen. Er spürt einen stechenden Schmerz. Er krümmt sich, geht weiter.
    Autos hupen ihn an, Radfahrer schneiden ihm den Weg ab. Er hat das Verlangen, mit jemandem zu reden, doch es ist niemand da, und er wäre ohnehin sprachlos. Wieder spürt er seine Erschöpfung und Müdigkeit. Starrt aus leeren Augen in eine für ihn leere Welt. Keine Angst, keine Schmerzen, keinen Hunger. Marc lehnt sich an einen Hauseingang. Er mag nicht mehr. Versucht, sich hinzusetzen, ihm wird schwindlig, aber das macht nichts. Es wird ihm schwarz vor Augen, er fällt hin, krümmt sich. Plötzlich öffnet sich vor ihm ein langer, dunkler Tunnel.
    Als Marc erwachte, lag er in einem Bett, war zugedeckt. Er blickte sich um. Das Zimmer war ärmlich, aber mit viel Liebe eingerichtet. An der Wand: ein kleiner Buddha-Altar mit ein paar Räucherstäbchen. Rechts davon stand ein Mädchen und kochte etwas auf einem kleinen Elektroherd.
    Da hörte er ein Baby weinen. Er drehte sich vorsichtig auf die andere Seite und erblickte in einer kleinen Wiege ein winziges Baby. Das Mädchen drehte sich ruhig um, ging zu dem Kind. Sie holte es aus dem Bettchen heraus und setzte sich mit ihm in die Ecke. Sie streichelte das Kind liebevoll und gab ihm die Brust. Wie sie so dasaß, erinnerte sie eher an ein Gemälde. Sie blickte ganz ruhig zu Marc und schaute ihm in die Augen. Sie zeigte keinerlei Reaktion.

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