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Der Modigliani Skandal

Der Modigliani Skandal

Titel: Der Modigliani Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Dee lächelte ihn freundlich und zufrieden an.
    Der erste Geistliche, mit dem sie sprach, war jung und sah mit seinem strengen kurzen Haarschnitt fast wie ein Teenager aus. Auf seiner dünnen, spitzen Nase balancierte eine Stahlbrille, und fortwährend scheuerte er seine Hände über den Stoff seines Gewandes, als wolle er die schweißfeuchten Innenflächen trocknen. Dees Nähe schien ihn in einen Zustand äußerster Nervosität zu versetzen, was nur zu verständlich schien bei einem Mann, der Keuschheit gelobt hatte bis in seine innersten Gedanken hinein. Immerhin schien er ehrlich bemüht, Dee zu helfen.
    »Wir haben hier viele Gemälde«, sagte er. »In der Krypta ist ein ganzer Raum damit gefüllt. Seit Jahren hat sie sich niemand mehr angesehen.«
    »Dürfte ich wohl hinuntergehen?« fragte sie.
    »Selbstverständlich. Allerdings bezweifle ich, daß Sie irgend etwas von Interesse finden werden.« Nervös warf der Geistliche einen Blick über Dees Schulter, als fürchte er, hier in seiner Kirche mit einem jungen Mädchen ertappt zu werden. »Kommen Sie mit«, sagte er.
    Sie kamen zu einer Tür in der alten Mauer und stiegen, der Priester vor Dee, eine Wendeltreppe hinunter.
    »Der Geistliche, der um 1910 hier war - interessierte der sich für Malerei?«
    Der Mann drehte den Kopf, sah Dee an, blickte rasch wieder fort. »Das weiß ich nicht«, erwiderte er. »Ich bin der dritte oder vierte seit jener Zeit.«
    Dee wartete am Fuß der Treppe, während er eine Kerze in einem Halter an der Wand entzündete. Ihre Clogs klapperten über den Steinfußboden, während sie, sich unwillkürlich duckend, dem jungen Priester durch den niedrigen Eingang in das Gewölbe folgte.
    »Hier wären wir nun«, sagte er und entzündete eine weitere Kerze. Auf dem Fußboden des kleinen Raums, gegen die Wände gelehnt, befanden sich etwa hundert Bilder. »Nun, den Rest werde ich Ihnen überlassen müssen«, sagte er.
    »Ich danke Ihnen vielmals.« Dee sah ihm nach, während er schlurfend verschwand; dann blickte sie zu den Bildern und unterdrückte ein Seufzen. Diese Idee war ihr gestern gekommen: einfach zu den Kirchen in der unmittelbaren Nähe von Modiglianis beiden einstigen Wohnsitzen zu gehen und fragen, ob's dort irgendwelche alten Gemälde gab.
    Für alle Fälle hatte sie sich unter dem ärmellosen Kleid ein Hemd angezogen - strenge Katholiken duldeten nicht, daß man sich mit unbedeckten Armen in einer Kirche aufhielt -, und draußen auf der Straße war ihr sehr heiß gewesen. Doch in der Krypta war es angenehm kühl.
    Sie hob das erste Gemälde von einem Stapel und hielt es so, daß das Licht der Kerze darauf fiel. Eine dicke Staubschicht auf dem Glas ließ das Bild darunter nur undeutlich erkennen. Sie brauchte ein Staubtuch.
    Unwillkürlich sah sie sich nach etwas Geeignetem um. Aber natürlich würde sie hier nichts finden. Und sie hatte nicht mal ein Taschentuch bei sich. Mit einem Seufzer raffte sie ihr Kleid hoch und zog sich ihr Höschen aus. Es würde ihren Zweck erfüllen müssen, diesen Zweck. Sie kicherte leise und begann, den Staub vom Gemälde abzuwischen.
    Es handelte sich um eine Nichtigkeit in Öl mit St. Stefan als Märtyrer. Sie schätzte sein Alter auf hundertzwanzig Jahre, doch war es in einem wesentlich älteren Stil gemalt. Der reichverzierte Rahmen würde wohl mehr wert sein als das Werk selbst. Die Signatur war unleserlich.
    Sie legte das Bild auf den Boden und nahm das nächste. Es war nicht so stark verstaubt, jedoch genauso wertlos.
    Tapfer arbeitete sie sich hindurch durch Jünger, Apostel, Heilige, Märtyrer, Heilige Familien, Letzte Abendmahle, Kreuzigungen sowie Dutzende dunkelhaariger, schwarzäugiger Christusse. Ihr buntes Bikini-Höschen verwandelte sich in ein Gebilde aus antikem Staub. Sie ging methodisch vor, stapelte ordentlich die gesäuberten Bilder und arbeitete sich durch einen weiteren Haufen Gemälde hindurch, bevor sie sich an den nächsten machte.
    Darüber verging der ganze Morgen, doch von irgendwelchen Modiglianis fand sich keine Spur.
    Nachdem sie das letzte Bild gesäubert und weggestellt hatte, nieste sie heftig, was die stauberfüllte Luft wie verrückt durcheinanderwirbeln ließ. Dee löschte die Kerze und ging wieder hinauf in die Kirche.
    Der Geistliche war nirgends zu sehen, und so tat sie eine Gabe in den Opferstock und trat hinaus in die Sonnenhelle. Ihr Höschen warf sie in den nächsten Abfallbehälter.
    Sie studierte ihren Stadtplan und machte sich dann auf den Weg

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