Der Modigliani Skandal
zurück, sackte in einen Sessel. Die drei dort oben machten jetzt mehr Lärm, wie um ihn zu verhöhnen. Er spürte, wie seine Selbstachtung zerbrach.
Das also ist es, was sie braucht, was sie anmacht, dachte er voll Zorn. Daß es zwischen uns nicht mehr klappte, war gar nicht meine Schuld. Luder, verdammtes Luder. Das Gefühl tiefer Demütigung in ihm verwandelte sich in Rachsucht.
Er wollte sie so demütigen, wie sie ihn gedemütigt hatte. Er würde die Welt nicht im unklaren lassen über ihre sexuellen Gelüste. Er würde .
Gottverdammt nochmal.
Plötzlich waren seine Gedanken wieder klar. Er fühlte sich beschwingt wie nach einem großen Schluck wunderbar kalten Champagners. Sekundenlang saß er bewegungslos, kalkulierte blitzschnell. Die Zeit, die ihm verblieb, war verdammt knapp.
Er öffnete eine verglaste Schranktür, nahm seine Polaroidkamera heraus. Ja, ein Film war drin. Er überprüfte das Blitzlicht, alles in Ordnung. Nun noch Entfernung und Blendenöffnung.
Während er die Treppe hinaufeilte, klangen die Stimmen immer lauter und greller. Einen Augenblick lang wartete er draußen neben der Tür. Sarah gab einen tiefen, kehligen Laut von sich, der nach und nach schriller wurde; fast wie ein langgedehntes kindliches Kreischen. Julian erinnerte sich noch gut an dieses Geräusch: aus jener Zeit, wo er es noch geschafft hatte, in ihr eine solche Erregung zu schüren.
In demselben Augenblick, da Sarahs Kreischen zum gellenden Schrei wurde, trat Julian in das Schlafzimmer und hob die Kamera an sein Auge. Durch den Sucher sah er die drei Leiber in wilder Bewegung, die Gesichter verzerrt. Julian drückte auf den Auslöser, und es blitzte grell; aber die drei auf dem Bett schienen nichts zu bemerken.
Er trat zwei Schritt näher, bewegte dabei den Film weiter. Wieder hob er die Kamera, machte eine zweite Aufnahme. Von der Seite machte er ein drittes Bild.
Eilig verließ er das Schlafzimmer, fand dann unten im Wohnzimmer in einer Schublade einen Umschlag und daneben ein Heftchen mit Briefmarken - genügend, um damit das Kuvert zu frankieren. Dann zog er einen Kugelschreiber aus seiner Tasche.
Wohin sollte er die Fotos schicken? Ein Zettel flatterte zu Boden, den er zusammen mit dem Kugelschreiber aus der Tasche gezogen hatte. Er erkannte ihn wieder. Es war der Fetzen Papier, auf dem er sich Samanthas Adresse notiert hatte. Er hob den Zettel vom Boden auf.
Zunächst schrieb er seinen eigenen Namen auf den Umschlag und ließ dann, nach einem c/o Samanthas Namen und Anschrift folgen. Den belichteten Film zog er in seiner Papierhülle aus der Kamera, die er sich angeschafft hatte, um Gemälde zu fotografieren. Der Film produzierte »Sofort-Bilder« wie auch Negative; allerdings mußten die Negative bis spätestens acht Minuten nach der Belichtung ins Wasser getaucht werden. Julian ging mit dem Film in die Küche und legte ihn in eine mit Wasser gefüllte Plastikschüssel. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf den Beckenrand, während sich auf dem Zelluloid schattenhafte Formen abzeichneten.
Während er, noch den nassen Film in der Hand, ins Wohnzimmer zurückging, tauchte oben beim Schlafzimmer plötzlich der Dunkelhaarige auf.
Jetzt blieb Julian keine Zeit mehr, die Bilder in den Umschlag zu stecken. Er rannte zur Haustür und öffnete sie, wurde jedoch im selben Augenblick von dem Dunkelhaarigen eingeholt. Mit aller Wucht schlug er dem Mann die Kamera ins Gesicht und machte einen großen Satz hinaus.
Er jagte die Straße entlang. Der Dunkelhaarige war nackt und konnte ihn nicht verfolgen. Jetzt steckte Julian die Negative in den Umschlag, klebte ihn zu und ließ ihn in einen auf dem Bürgersteig stehenden Briefkasten gleiten.
Er warf einen Blick auf die Abzüge. Sie waren alle sehr klar. Die drei Gesichter waren deutlich zu erkennen, und über das, was das Trio im Bett trieb, konnte niemand im Zweifel sein.
Langsam ging Julian zum Haus zurück. Die Stimmen aus dem Schlafzimmer klangen jetzt zänkisch. Julian knallte laut die Vordertür zu: Sie sollten wissen, daß er wieder da war. Er nahm im Wohnzimmer Platz, betrachtete die Fotos.
Der Dunkelhaarige kam aus dem Schlafzimmer, noch immer nackt. Sarah folgte, in einen Morgenrock gehüllt, und als letzter erschien der Blonde mit dem fleckigen Gesicht, der in einen superknappen Slip geschlüpft war.
Der Dunkelhaarige wischte sich mit dem Handrücken Blut von der Nase. Er blickte auf seine rotverschmierten Fingerknöchel und sagte: »Ich könnte dich
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