Der Modigliani Skandal
nächstgelegene und ging zur Haustür.
Einen Türklopfer gab es nicht, und so pochte er mit den Fingerknöcheln gegen das braungestrichene Holz und wartete.
Eine Frau öffnete. Sie hielt ein Baby im Arm, das seine Fäustchen in ihr ungewaschenes braunes Haar gekrallt hatte. Ihre Augen, über einer hohen, schmalen Nase, lagen dicht beieinander, was ihrem Blick etwas Unstetes gab.
Julian sagte: »Ich bin ein Kunsthändler aus England und suche alte Gemälde. Haben Sie irgendwelche Bilder, die ich mir ansehen könnte, bitte?«
Ungefähr eine Minute lang starrte sie ihn stumm an, mit einem Gesichtsausdruck, aus dem Ungläubigkeit ebenso sprach wie Mißtrauen. Dann schüttelte sie wortlos den Kopf und schloß die Tür.
Entmutigt machte Julian kehrt. Am liebsten hätte er die Von-Tür-zu-Tür-Strategie auf der Stelle aufgegeben - er kam sich dabei vor wie ein Hausierer.
Das nächste Haus schien sich von vornherein gegen ihn zu sperren. Kleine Fenster zu beiden Seiten einer schmalen Tür erinnerten ihn an das Gesicht der Frau mit dem Kind.
Er zwang sich, zu dem Haus zu gehen. Diese Tür hatte einen Klopfer, sogar einen recht dekorativen in der Form eines Löwenkopfes. Der Farbanstrich war neu, und die Fenster wirkten sauber.
Diesmal öffnete ein Mann in Hemdsärmeln und mit offener Weste. Er rauchte eine Pfeife mit ziemlich zernagtem Stiel. Mußte ungefähr fünfzig sein. Julian stellte dieselbe Frage wie beim ersten Haus.
Der Mann krauste die Stirn; aber als er dann den Sinn dessen verstand, was Julian in miserablem Italienisch sagte, hellte sich seine Miene auf. »Kommen Sie herein«, sagte er lächelnd.
Das Innere des Hauses war sauber und hübsch eingerichtet; die Fußböden wirkten fleckenlos, und alles schien zu glänzen vor frischer Farbe. Der Mann bat Julian, Platz zu nehmen.
»Sie wollen ein paar Bilder sehen?« Der Mann sprach langsam und ein wenig überlaut: wie zu einem Schwerhörigen und Senilen. Vermutlich, ging es Julian durch den Kopf, tat er dies wegen des ausländischen Akzents seines Gastes.
Julian beantwortete die Frage mit einem stummen Nicken.
Der Mann hob einen Finger - eine Geste, die sagen sollte: »Warten Sie!« Er verließ das Zimmer und kam gleich darauf mit einem Stapel gerahmter Fotografien zurück, sämtlich stark vergilbt und angestaubt.
Julian schüttelte den Kopf. »Ich meine Gemälde«, sagte er und führte dazu eine Art Pantomime auf: malte mit unsichtbarem Pinsel auf eine unsichtbare Leinwand.
Auf dem Gesicht des Mannes spiegelten sich Verwirrung und eine Spur von Empörung. Er hob einen kleinen, billigen Druck von Jesus Christus von einem Nagel an der Wand und hielt ihn Julian hin.
Julian nahm das Bild, schien es eingehend zu studieren, schüttelte dann den Kopf und reichte es zurück. »Sonst noch irgendwas?«
»Nein.«
Julian stand auf. Er versuchte, seinem Lächeln einen Ausdruck von Dankbarkeit zu geben. »Tut mir leid«, sagte er. »Sie waren sehr freundlich.«
Der Mann zuckte die Achseln und öffnete die Tür.
Julians inneres Widerstreben gegen die »Hausierer-Tour« war inzwischen natürlich noch gewachsen. Enttäuscht und unentschlossen stand er auf der Straße und fühlte auf seinem Nacken die Glut der Sonne. Ein Sonnenbrand, das fehlte mir zu allem noch, dachte er niedergeschlagen.
Er überlegte, ob jetzt nicht ein Drink angebracht war. Die Bar schien kaum mehr als zwanzig, dreißig Meter entfernt zu sein; dort, wo der blaue Mercedes stand. Allerdings würde ihn ein Drink auch nicht weiterbringen.
Ein Mädchen kam aus der Bar und öffnete die Autotür. Julian betrachtete sie. Ob sie ebenso ein Luder war wie Sarah? Nun, ein Mädchen, das reich genug war, sich einen solchen Schlitten zu leisten, hatte vermutlich ein Recht darauf, ein Luder zu sein. Sie stieg ein und warf dabei ihr Haar nach hinten. Die verhätschelte Tochter eines reichen Vaters, dachte Julian.
Ein Mann kam aus der Bar und stieg von der anderen Seite ins Auto ein. Das Mädchen sagte irgend etwas zu ihm, und ihre Stimme klang über die nicht sehr große Entfernung hinweg an Julians Ohr.
Plötzlich rastete in Julians Gehirn gleichsam etwas ein.
Er hatte angenommen, daß das Mädchen den Mercedes fahren würde, - aber als er jetzt genauer hinblickte, konnte er sehen, daß sich das Lenkrad auf der rechten Seite des Autos befand.
Was das Mädchen zu dem Mann gesagt hatte, hatte wie englisch geklungen.
Das Auto hatte ein britisches Nummernschild.
Mit einem kehligen Glucksen erwachte der
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