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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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dem ärmlichen Teil des Viertels stammten, aus Familien mit nicht ganz einwandfreiem Ruf. »Sie werden dich nur bestehlen«, hatte Nathan gesagt. Doch Josephs Menschenkenntnis hatte sich wieder einmal als untrüglich erwiesen. Simon und Aaron waren sehr dankbar, dass ihnen jemand eine Chance gab, und so arbeiteten sie fleißig und gewissenhaft.
    »Deine Mutter ist zum Bad in die Mikwe gegangen. Rebekka und Aaron haben sie begleitet, da sie nachher noch Einkäufe erledigen will. Und Simon habe ich einen Tag freigegeben. Seine Mutter liegt krank danieder, deswegen wird bei ihnen zu Hause eine helfende Hand gebraucht.«
    Davon hatte Hannah gar nichts mitbekommen, denn sie hatte sich an ihren Lieblingsort, die Bibliothek, zurückgezogen und dort wie so oft bei der Lektüre völlig die Zeit vergessen. »Dann begleite ich Euch«, sagte sie.
    Joseph zögerte. »Es herrscht eine angespannte Stimmung in der Stadt. Mir wäre es lieber, du würdest im Haus bleiben.« Dann seufzte er und senkte die Schultern. Man merkte ihm an, dass er erleichtert war, nicht allein gehen zu müssen. »Also gut, du darfst mich begleiten.«
    Hannah atmete auf. »Wartet, ich hole Euch rasch Mantel und Mütze.«
    Joseph ging viel langsamer als sonst. Ein paarmal musste er stehen bleiben, um wieder zu Atem zu kommen. Besorgt ging Hannah dicht neben ihm, bereit, ihn sofort zu stützen, falls er strauchelte.
    »Wenn ich persönlich mit Berengar spreche, gelingt es mir bestimmt, ihn umzustimmen«, sagte er. »Es muss mir gelingen. Wir dürfen auf keinen Fall einen so wichtigen Kunden verlieren!«
    Hannah hoffte inständig, dass er recht behalten würde. Er war im Moment so schwach. Würde er es gesundheitlich verkraften, wenn Berengar bei seinem Nein blieb? Sie wusste nicht genau, wie groß der Anteil der erzbischöflichen Bestellungen an Josephs Gesamteinnahmen war, aber man merkte ihm deutlich an, dass der Verlust dieses Großabnehmers ihn wirtschaftlich hart treffen würde. Gern hätte sie ihm etwas Tröstliches gesagt, doch es wollte ihr nichts einfallen, und so nahm sie einfach, als er wieder einmal anhielt, um Luft zu holen, seine zittrige, mager gewordene Hand, die sich trocken und spröde anfühlte wie altes Pergament. Hand in Hand gingen sie über den Domplatz, wo die Tribüne für den Häretikerprozess nun fertig hergerichtet war.
    Sie hatte daheim noch nichts von ihrem unangenehmen Erlebnis am Morgen erzählt, um ihre Eltern nicht zu beunruhigen – und weil es ihr dann mit Sicherheit nicht mehr erlaubt worden wäre, allein das Haus zu verlassen. Jetzt berichtete sie Joseph kurz, was sie von den Gaffern erfahren hatte, erwähnte aber nicht, wie unverschämt diese Leute sich ihr gegenüber verhalten hatten. »Ja, ja, dieser Prozess, ich habe davon gehört«, sagte ihr Vater abwesend. Es geschah sehr selten, dass er seiner Tochter nicht aufmerksam zuhörte. Aber jetzt waren sein Blick und seine Konzentration fest auf die imposanten Mauern der erzbischöflichen Kanzlei gerichtet. Und für mehr reichte seine Kraft offensichtlich nicht.
    Als Joseph vor den Eingangsstufen der Kanzlei noch einmal kurz stehen blieb, schaute Hannah sich um und bemerkte eine Gruppe von jungen Männern, die bei der Tribüne herumstanden. Sie war sicher, dass diese jungen Männer zu ihr und ihrem Vater herüberstarrten. Dann steckten sie die Köpfe zusammen und flüsterten miteinander. Sie beschloss, Joseph nichts von ihrer Beobachtung zu sagen, damit er sich nicht noch mehr aufregte.
    Mühsam stieg Joseph die Stufen hoch. Es erschreckte Hannah, wie dünn und schwach seine Stimme klang, wie kurzatmig er war, als er im Vorzimmer nach dem Ersten Sekretär Berengar fragte. Hinter dem Anmeldepult stand der gleiche mürrische, abweisende Mann, mit dem Hannah es am Morgen schon zu tun gehabt hatte. Sie wünschte sich sehr, irgendjemand hätte ihrem Vater einen Stuhl angeboten.
    »Bedaure«, sagte der mürrische Kerl, »aber der Herr Berengar leitet die Kanzlei nicht mehr. Neuer Erster Sekretär ist jetzt der Domherr Friedrich.«
    Joseph wurde noch blasser. »Aber … als ich vor sechs Wochen …«
    »Bedaure.«
    »Was ist denn geschehen?«, fragte Joseph und stützte sich schwer auf die Holzschranke vor dem Pult.
    Die Tür hinter der Anmeldung öffnete sich. Ein beleibter, dunkelhaariger Geistlicher schaute heraus. Er trug eine große Kette, an der ein mit kleinen Edelsteinen verziertes Kreuz hing, und seine schwarze Tracht war aus edlem, teurem Samt. »Was gibt es, Cäsarius?

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