Der Mönch und die Jüdin
versündigt sich am Seelenheil der Menschen und tut damit ein Werk des Teufels. Diese Abweichungen von der wahren Kirchenlehre dürfen nicht toleriert werden, denn wer solchen falschen Propheten auf den Leim geht, droht, der ewigen Verdammnis anheimzufallen. Wenn der Tag des Gerichts kommt, wird der Herr über alle Seelen urteilen. Und jene, die ungehorsam gewesen sind und sich von ihm abgewandt haben, werden für immer und ewig ins Feuer geworfen. Brüder und Schwestern, es gibt für euch nur einen Weg, der ewigen Verdammnis zu entgehen! Die unverbrüchliche Treue zur Kirche eures Bischofs und des Heiligen Vaters in Rom!« Erregt zeigte Everwin auf die Häretiker. »Was aber haben sie getan? Euch aufgefordert, den sicheren Schoß der Mutter Kirche zu verlassen! Euch angestiftet, euer Seelenheil preiszugeben, indem ihr ihren falschen Lehren folgt! Damit haben sie ein Werk des Teufels getan, und das darf nicht ungesühnt bleiben!«
Aus der Menge kamen zustimmende Rufe. Everwin hob die Hand und fuhr fort: »Da aber Gott gerecht ist, wollen auch wir gerecht sein. Wenn diese Sünder ihre Schuld bekennen und öffentlich Abbitte leisten, wenn sie reumütig in den Schoß der Kirche zurückkehren und unter Eid schwören, nie wieder häretische Irrlehren zu verbreiten, wollen wir Milde und Barmherzigkeit walten lassen. Dann soll ihre Bußfertigkeit beim Strafmaß berücksichtigt werden.«
Damit schienen viele in der Menge nicht zufrieden zu sein. Konrad sah, dass etliche Leute aufgebracht Worte mit ihren Nachbarn wechselten. Offenbar wollten sie, wie Anselm schon vermutet hatte, eine unbarmherzige Bestrafung.
Auch der Erzbischof war verstimmt, allerdings aus anderen Gründen. Er drehte sich mit ärgerlicher Miene zu Anselm und Gilbert um und flüsterte: »Was soll denn das? Das war so nicht abgesprochen. Everwin hat sie ja schon verurteilt, bevor sie überhaupt Gelegenheit hatten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Damit macht er das ganze Verfahren zur Farce. Jetzt bleibt ihnen nur noch, demütig zu Kreuze zu kriechen. Und das werden sie nicht tun. Aber darauf legt er es wohl an.« Er schlug sich mit der Faust in die flache Hand. »Verdammt! Ich hätte ihm nicht die Vernehmung überlassen sollen. Das war ein schwerer Fehler.«
»Was ist nun?«, fragte Everwin mit drohender Stimme. »Seid ihr bereit, euren Frevel zu bereuen und Buße zu tun? Wen habt ihr zu eurem Sprecher auserkoren?«
Gilbert sagte leise zu Arnold: »Was Everwin da tut, erinnert mich an das, was Bernhard von Clairvaux mit Abaelard gemacht hat. Man hat nur die Wahl, sich schuldig zu bekennen und zu bereuen. Etwas anderes wird einem von vornherein nicht eingeräumt.«
»Aber ich kann Everwin die Sache jetzt nicht mehr entziehen«, sagte Arnold. »Das gäbe einen Tumult.«
Konrads Blick glitt wieder zu Hannah. Ihr Lächeln erschien ihm golden wie Honig. Er wollte zu ihr gehen, dicht bei ihr sein, so nah wie gestern am Hafen, als er die Wärme ihrer Hände gespürt hatte. Natürlich ging das nicht. Es wäre ungehörig und respektlos gewesen, einfach aufzustehen und sich von der Tribüne zu stehlen. Und wenn er sich dort unten zu ihr stellte, direkt vor den Bischof und sein Gefolge, würden es alle sehen. Aber sein Herz sehnte sich nach ihr, verlangte nach dem Klang ihrer Stimme und der Nähe ihres Körpers.
Unter den Häretikern stand ein älterer Mann auf. »Hohes geistliches Gericht, Menschen von Köln!«, sagte er mit kräftiger, vernehmlicher Stimme. »Wozu führst du eine Befragung durch, Probst Everwin von Steinfeld, wenn du dein Urteil längst gefällt und uns schuldig gesprochen hast? Nichts, was ich noch sagen könnte, wird dich von deiner vorgefassten Meinung abbringen. Und trotzdem sage ich dir und allen, die Ohren haben und hören können: Nicht wir sind die Sünder, die sich bekehren und Buße tun müssen. Nicht wir haben den Weg der guten und wahren Kirche verlassen. Ich sage dir, Everwin, wir führen ein bescheidenes, frommes Leben in der Nachfolge Christi. Was aber tun die Diener der Kirche? Die Pröbste und Prälaten, die Äbte und Bischöfe? Die Päpste? Das frage ich dich, Everwin: Was tun sie? Leben sie bescheiden und fromm? Folgen sie Jesus nach? Wir sind die ›Armen Christi‹. Wir haben allem Besitz entsagt und unser ganzes Sehnen darauf ausgerichtet, Jesus nachzufolgen. Beweist uns, dass wir einer Irrlehre anhängen. Beweist uns, dass das, was wir predigen und tun, im Widerspruch zu den Evangelien steht, dann wollen wir gerne
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