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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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zwischen den Bäumen lauerten. In diesem unheimlichen Zwielicht wirkten sogar die Bäume wie lebendige Wesen. Ein erschreckender Gedanke stieg in ihm hoch. Die gefährlichen östlichen Wälder waren hier nicht weit entfernt. »Und wenn es … wenn es die wilden Leute sind?«
    Anselm lachte leise. »Unsinn! Was weißt du von den wilden Leuten? Nichts weißt du von ihnen. Räudige Straßenräuber, damit haben wir es hier zu tun.« Er zog sein Schwert aus der Scheide, und die Klinge schimmerte kalt und silbrig im tanzenden Licht des Feuers.
    Konrad wunderte sich über die Ruhe, die der Mönchsritter ausstrahlte. Matthäus dagegen trat ängstlich von einem Bein aufs andere. Konrad konnte seinen gepressten Atem hören. »Bei allen Heiligen«, stieß der Koch hervor. »Ich hätte auf Euch hören sollen, Anselm!«
    Schatten bewegten sich auf sie zu, krochen langsam und geduckt aus der Deckung der Bäume – Schatten, die fast wie Tiere wirkten. Waren es Wölfe oder Menschen? Doch nun sah Konrad Messerklingen aufblitzen. Fast automatisch tat er es Matthäus gleich und nahm sich einen der brennenden Äste. Mit dem Mut, der aus der Todesangst erwächst, schwenkte Matthäus seinen Ast und schrie. Konrad schwenkte gleichfalls drohend den flammenden Ast hin und her, aber seine eigene Stimme klang dünn und kläglich.
    Anselm von Berg dagegen stieß ein fürchterliches Kampfgebrüll aus, von dem Konrad kein Wort verstand. Ohne zu zögern, stürmte der Mönchsritter den Angreifern entgegen. Konrad hörte Anselms Schwert durch die Luft surren und gleich darauf Schmerzensschreie, als der Hieb zwei Räuber auf einen Streich verwundete. In der Morgendämmerung sah das alles gespenstisch aus wie in einem bösen Traum. Anselm setzte blitzschnell zu einem weiteren Hieb an und rammte sein Schwert dem vordersten Räuber in den Leib. Noch ehe dieser röchelnd zusammenbrach, zog Anselm die Klinge heraus, durchtrennte die Kehle eines weiteren Angreifers und stieß sein Schwert dem dritten in die Brust. Das genügte. Die zwei übriggebliebenen Räuber ergriffen schreiend die Flucht. Anselms wuchtiger, rasend schneller Angriff schien sie völlig überrumpelt zu haben. Sie hatten offensichtlich nicht mit Gegenwehr gerechnet, sondern erwartet, drei wehrlose Mönche vorzufinden – eine leichte Beute.
    »Heilige Mutter Gottes!«, stöhnte Matthäus.
    Ganz ungeachtet des schrecklichen Geschehens tauchte kurze Zeit später ein prachtvoller Sonnenaufgang den Himmel in flammendes Licht. Konrad starrte die Toten sprachlos an. Dem ersten hatte Anselms Hieb regelrecht den Bauch zerfetzt, so dass die Gedärme herausquollen. Die anderen beiden Räuber lagen in ihrem Blut und starrten mit leeren Augen in den Morgenhimmel. Anselm hatte recht. Es waren ärmliche, zerlumpte Gestalten, die aussahen, als seien sie allein für ein Stück Brot zu morden bereit gewesen.
    Konrad versuchte, Mitleid und Erbarmen für die Toten zu empfinden, doch es gelang ihm nicht. Da war nur ein flaues Gefühl im Magen und ein widerlicher Geschmack in der Kehle. Diese Art von Tod war ihm noch nie begegnet. Er hatte den Abt sterben sehen und einige Mönche, aber bei ihnen allen war der Tod eine Erlösung gewesen, die das Leid langer, qualvoller Krankheiten beendet hatte.
    Und dann verspürte plötzlich Konrad eine große Erleichterung und Dankbarkeit. Dass Matthäus und er noch lebten, war allein Anselms Verdienst. Der Mönchsritter kniete etwas abseits auf dem Boden und reinigte die Klinge seines Schwertes im taunassen Gras. Groß und stattlich sah er aus. Außerhalb des Klosters trug er stets ein Kettenhemd und darüber den schwarzen Mantel der Mönchsritter, auf dem über dem Herzen ein weißes Kreuz aufgenäht war.
    Matthäus war immer noch kreidebleich und zitterte. »Sie waren Räuber, aber ich denke, es ist dennoch unsere Pflicht, sie zu begraben und für ihre Seelen zu beten«, sagte er.
    Anselm hob den Kopf und schaute den dicken Mönch ärgerlich an. »Seid Ihr von Sinnen? Wir lassen diese stinkenden Halsabschneider hier liegen, als Warnung für ihre Spießgesellen! Sollen die sie doch begraben, falls sie den Mut haben, hierher zurückzukommen, was ich bezweifle. Und wenn nicht, werden Raben und Wölfe ihnen sowieso die Arbeit abnehmen.«
    Für einen Moment hatte Konrad das grausige Bild vor Augen, wie schwarze Raben den Toten die Augen auspickten. Ihn fröstelte.
    Matthäus schien Anselm widersprechen zu wollen, doch dann schüttelte er nur seufzend den Kopf und schwieg.

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