Der Mönch und die Jüdin
Fässern beladener Oberländer-Kahn rheinabwärts in Richtung Köln. Bei diesem Anblick wurde Konrad das Herz wieder leichter, obwohl er sich in dieser Spelunke weiterhin sehr unbehaglich fühlte. Er wünschte, es wäre schon Morgen und sie könnten weiterreiten.
Der Wirt brachte ihnen Dinkelbrei mit Kohl und Stockfisch. In Anbetracht der Schäbigkeit der Herberge schmeckte das Essen erstaunlich gut, und sie aßen mit großem Appetit. Nach dem Essen ließ Anselm Wein auftischen. Konrad probierte vorsichtig einen Schluck und fand ihn unangenehm sauer. Der Wein auf der Wolkenburg hatte viel besser geschmeckt. Dennoch stieß er mit Anselm und Gilbert an.
Anselm leerte seinen Becher in einem Zug und sagte: »Mein lieber Konrad, ich möchte jetzt mit dir noch einen Spaziergang machen und das gastfreundliche Haus aufsuchen, von dem ich gesprochen habe. Gilbert, Ihr seid selbstverständlich herzlich eingeladen, Euch uns anzuschließen, wenn Ihr möchtet.«
»Was ist denn das für ein Haus?«, fragte Konrad neugierig. Er hatte den Schock, dass Anselm eine so hohe Persönlichkeit war, überwunden und fühlte sich in seiner Gegenwart wieder etwas wohler, zumal auch Anselm selbst immer entspannter und freundlicher zu werden schien, je mehr sie sich Köln näherten.
Anselm wechselte einen eigenartigen Blick mit Gilbert; fast kam es Konrad so vor, als hätte er diesem zugezwinkert, aber vielleicht spielte ihm auch das Dämmerlicht hier im Wirtshaus einen Streich. »Ich finde, darüber solltest du dir selbst ein Bild machen«, sagte er geheimnisvoll. »Was dieses Haus für dich ist und was es dir bedeutet, ist ganz deine eigene Sache und geht niemanden sonst etwas an.«
Das war nicht sehr aufschlussreich, und Konrad setzte zu einer neuen Frage an, doch Anselm schüttelte grinsend den Kopf und schenkte sich Wein nach. »Warte es ab.«
»Danke für Euer Angebot, Anselm«, sagte Gilbert. »Aber für mich sind Gebet und innere Einkehr heutzutage wichtiger als der Besuch … gewisser Häuser.« Er zuckte die Achseln. »Vermutlich eine Frage des Alters. Aber ich wünsche Euch viel Vergnügen.« Wieder wechselten die beiden einen merkwürdigen Blick. Konrad ärgerte sich, weil er nicht verstand, wovon sie redeten. Aber solche Spielchen liebte Anselm ja.
Sobald der Mönchsritter seinen zweiten Becher Wein geleert hatte, stand er auf, nickte Gilbert zu und ging zusammen mit Konrad hinaus. Dieser war froh, der stickigen, ungesunden Wirtshausluft entronnen zu sein. Er folgte Anselm, der sich in geheimnisvolles Schweigen hüllte, durch die engen, verwinkelten Gassen Bonns, auf die sich die Dunkelheit herabsenkte. An einigen Straßenecken brannten Pechfackeln und sorgten für spärliches Licht. Doch die vielen dunklen Hauseingänge und im Schatten liegenden Torbögen waren Konrad unheimlich.
Im Kloster wurde in der Nacht die Pforte stets fest verschlossen. Dann waren die Mönche unter sich. Hier aber konnten hinter jeder Ecke Räuber und Diebsgesindel lauern, genauso schlimm wie jene, die von Anselm im Wald erschlagen worden waren.
Zu Konrads Verwunderung verließen sie die Stadt und gingen durch das südliche Stadttor. Nach kurzer Zeit erreichten sie über einen gutgepflegten, offensichtlich vielbegangenen Pfad ein hellerleuchtetes Haus, das an einem von den Hügeln herabströmenden Bach lag. Aus einem großen Kamin stieg Rauch in den Abendhimmel. »Da wären wir«, sagte Anselm. »Dieses Haus hier ist eines der besten seiner Art zwischen Köln und Koblenz. Es ist wirklich einen Besuch wert.«
Zwei ältere Männer und zwei junge Frauen kamen lachend und vergnügt schwatzend aus dem Haus. Konrad hatte eine unerfreuliche Ahnung, worum es sich bei diesem Haus handeln könnte, verwarf diese Möglichkeit aber sogleich wieder. Anselm war Mönch und hatte ein Gelübde abgelegt. Konrad traute ihm einiges zu, aber das …
»Willst du hier Wurzeln schlagen, Konrad?« Anselm wirkte ungeduldig. »Los, komm! Ein paar angenehme Erfahrungen warten auf dich.«
Konrad zögerte. »Angenehme Erfahrungen?«
»Du möchtest doch die Welt außerhalb des Klosters kennenlernen, oder nicht? Hier gibt es reichlich Gelegenheit, deinen Horizont zu erweitern.« Anselm ging auf den Eingang des Hauses zu, eine große, schwere Tür aus dunklem Holz. Die Schnitzereien darauf, soweit Konrad sie im Dämmerlicht erkennen konnte, wirkten sonderbar – Blumenornamente und Tierköpfe, dazwischen menschliche Gesichter, die von Laub umrankt waren und kleine Hörner an
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