Der Mönch und die Jüdin
Abwechslung zwischen den Männerkleidern aufgereiht. Und das war noch nicht das Schlimmste: Konrad entdeckte zwei Mönchshabite.
»Und hier«, sagte Anselm und zeigte auf ein anderes Kleiderbündel, »das sieht mir nach einem Kanoniker aus, und der daneben ist sogar Prälat, wie mir scheint. Glaubst du wirklich, dass wir beide da unangenehm auffallen?«
»Wir stehen allen edlen Herren und Damen gern zu Diensten«, sagte das Mädchen lächelnd, mit sanfter Stimme.
Konrad überfiel ein schrecklicher Gedanke. Er stellte sich vor, dass Balduin und auch Fulbert nach außen Moral gepredigt, aber heimlich Orte wie diesen aufgesucht hatten. Gelegenheit dazu hätten sie gehabt, denn beide waren oft für mehrere Tage nach Köln gereist. Was, wenn sogar Bernhard von Clairvaux, dem die Moral über alles ging, sich heimlich in Badehäusern vergnügte? Sofort schämte sich Konrad für diese Gedanken. Wie konnte er frommen Männern wie Balduin oder Bernhard misstrauen? War es der Teufel, der ihn in Versuchung führte und ihm solche Gedanken eingab? Zwei Mönche, ein Kanoniker, ein Prälat … Wie viele Geistliche mochten solche Häuser besuchen?
»Los jetzt! Herrlich warmes, nach Kräutern duftendes Wasser wartet auf uns!« Anselm zog Konrad mit einer raschen Bewegung die Kukulle über den Kopf, und ehe Konrad sich versah, versuchte er, ihm auch die Tunika auszuziehen. Das Mädchen half mit und kicherte dabei laut. Konrad wehrte sich, doch Anselm war stark wie ein Bär und hielt ihn fest. Das Mädchen lachte, und nun zerrten beide an Konrads Novizengewand.
Jetzt gab Konrad nach. »Also gut«, sagte er. »Ich werde mir ansehen, wie es da drinnen zugeht.« Anselm und das Mädchen ließen ihn los. Konrad streifte entschlossen seine Tunika ab und gab sie dem Mädchen. Ich will wissen, was sie dort drinnen treiben, der Prälat, der Kanoniker und die beiden Mönche, dachte er. Ich will es mit eigenen Augen sehen. Anselm schaute ihn erstaunt an. Konrads Gesicht fühlte sich hart und angespannt an, als wäre es aus Eisen.
Mit grimmiger Entschlossenheit ließ er seine Hose herunter. Er merkte, dass ihm die Schamröte ins Gesicht stieg. Aber das Mädchen schaute nicht auf den sündigsten Teil seines Körpers, sondern blickte ihm lächelnd ins Gesicht und reichte ihm ein Lendentuch. Als seine zittrigen, verkrampften Hände Mühe hatten, es umzubinden, half sie ihm mit geschickten Fingern.
Anselm hatte sich inzwischen ebenfalls entkleidet. Zuletzt streifte er seine Hose ab, und Konrad sah ihn nackt dort stehen. Er hatte bereits die entblößten Oberkörper einiger älterer Mönche gesehen, wenn er Matthäus beim Schröpfen assistiert hatte, doch deren Körper waren mager und eingefallen gewesen. Jetzt konnte er nicht anders, als über Anselms stattlichen, dichtbehaarten Brustkasten zu staunen. Unter dem weiten Gewand war immer verborgen geblieben, welch mächtige Muskeln der Mönchsritter hatte. Kein Wunder, dass er so gewaltige Schwerthiebe austeilen konnte. Anselm band sich das Lendentuch um, bedankte sich freundlich bei dem Mädchen und nickte Konrad aufmunternd zu.
»Freut mich, dass deine Neugierde stärker ist als die Stimme Balduins in deinem Hinterkopf«, sagte er.
Sie gingen dicht an den Holzöfen vorbei, die eine so gewaltige Hitze verströmten, dass einem der Schweiß aus allen Poren drang. Konrad war für einen Moment gedanklich ganz mit einer Beobachtung beschäftigt, die ihn mit einer sonderbaren Erleichterung erfüllte: Er hatte nie zuvor die Geschlechtsteile eines anderen Mannes gesehen, nun aber einen kurzen Blick auf Anselms Blöße werfen können. Dabei hatte er keinen Unterschied zu seinen eigenen sündigen Teilen feststellen können. Seine Befürchtung, dieser Teil seines Körpers sei aufgrund von dämonischen Einflüssen irgendwie entstellt oder verwachsen, traf also offenbar nicht zu – es sei denn, die gleichen bösen Kräfte waren auch bei Anselm am Werk.
Ein Mann und eine Frau in Begleitung zweier Knaben kamen aus dem Raum, auf den Anselm zusteuerte. Der Mann und die beiden Jungen trugen nur Lendentücher, die Frau, die den kleineren der beiden Knaben an der Hand führte, hatte zusätzlich ein Tuch um die großen, schweren Brüste geschlungen, das aber mehr enthüllte als es verdeckte. Wie konnten die Eltern, um die es sich ja offensichtlich handelte, mit ihren Kindern einen solchen Ort aufsuchen? Aber sie schienen nicht das geringste Schamgefühl zu besitzen. Die Frau schwatzte vergnügt mit ihrem kleinen
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