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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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stattliches Erbe zu erwarten: Von der Seite deines Onkels Albert wird alles dir zufallen und von deiner Patentante Charlotte wohl auch, wo sie dich doch so gern hat. Deshalb werden wir einen Vertrag aufsetzen. Das tut niemandem weh, und eurer Liebe wird es auch keinen Abbruch tun!‹
    Sie dachte weit voraus, die Mutter Champourcieux! Aber die Liebe ist nun einmal selbstlos, zumindest am Anfang. Kaum hat die Mutter das Notariat verlassen, da setzen sich die beiden Hand in Hand wieder hin und schließen einen Vertrag ab, der den Überlebenden zum Alleinerben bestimmt. Folgen Sie mir noch?«
    »O ja!«, sagte Laviolette, »ohne die geringste Schwierigkeit!«
    »Gut. Ich werde es so kurz wie möglich machen; es ist bald Mittag, und ich habe einen Bärenhunger! Inzwischen kündigt sich also der Krieg an, bricht aus, setzt sich fest, und den weiteren Verlauf kennen Sie ja selbst. Für den Sohn der Maillards ist die Zeit gekommen, das Koppel offen zu zeigen, sich Stiefel anzuziehen von der Art, die er in Italien bewundert hatte, und seinen Hut gegen ein mit Siegeszeichen verziertes Barett zu tauschen. Die eingefallene Brust war ihm geblieben, aber er verbirgt sie unter einem schwarzen Hemd.
    Die Dinge nehmen ihren Lauf; Sie kennen ihn: Erst der Honig, dann die Sülze. Eines schönen Tages ist er fällig. Um drei Uhr morgens kreuzen zehn grölende Männer im Talkessel von Chavailles auf, bis an die Zähne bewaffnet, als wollten sie vier Bataillone angreifen. Auch sie tragen Koppel und dazu Armbinden mit unleserlichen Aufschriften. Sie ziehen Maillard im Nachthemd aus dem Bett. Die Libération ist da! Sie verkünden ihm die Befreiung mit einigen Ohrfeigen, dann jagen sie ihm eine Kugel in den Schädel.
    Oh! Nur keine Missverständnisse! Ich behaupte nicht, dass er es nicht verdient hat! Denn … Nun ja, er hatte gut und gerne zehn Hinrichtungen von Widerstandskämpfern auf dem Gewissen, und dazu hatte er noch einige Juden dem Eifer der Barbaren ausgeliefert. Kurzum! Dann haben sie ihn mit vier Autos gevierteilt (damit er leichter in Stücke geschnitten werden konnte). Danach haben sie ihn in Würfel geschnitten, als ob sie ein Schmorragout oder Osso Bucco aus ihm machen wollten. (Die Knochen haben sie mit einer Metallsäge zersägt.) Und zum Schluss haben sie das Schutzgitter über der Wasserzufuhr oberhalb des Kraftwerks herausgerissen und ihn dort hineingesteckt, Stück für Stück. Sie haben das alles übrigens mit einer geradezu religiösen Sorgfalt getan; es waren eben gläubige Menschen, die hofften, dass von irgendeinem Ort aus die untröstliche Seele der Zerstreuung ihrer einstigen Hülle würde beiwohnen können.«
    »Warum das alles?«, fragte Laviolette erstaunt.
    »Warum? Violaine zufolge haben sie es ihr erklärt, indem sie ihr alle ins Gesicht spuckten, bevor sie unentdeckt und unerkannt in alle vier Himmelsrichtungen verschwanden, um wieder Menschen wie du und ich zu werden. ›Wir wollten verhindern‹, sagten sie, ›dass seiner Hure von Ehefrau auch nur ein Fetzen seines Körpers übrig blieb, den sie hätte küssen können.‹ Mit der Zeit hatten alle erfahren, wie sehr sie ihn geliebt hatte, oder sie konnten es sich wenigstens vorstellen. In der Strafe für diese Liebe hatten die Männer wahrscheinlich einen Akt von reinigender Kraft, wenn nicht von patriotischer Hingabe gesehen. Sie haben sie mit der Brunnenkette an den Bettpfosten gefesselt. Natürlich haben sie sie kahl geschoren, auch ihr Schamhaar. Als man sie fand, war sie nackt und bloß, am Kopf und am Körper. Aber damit wir uns recht verstehen: Niemand hat sie geschändet!«
    »Wieso nicht?«, fragte Laviolette.
    »Ja, wieso nicht? Diese Frage hat sich der Oberstaatsanwalt auch gestellt. Denn da steckte wohl etwas anderes dahinter. Der Staatsanwalt stieß Verwünschungen aus, in ohnmächtiger Wut. Denn hätte man diesen Maillard vor Gericht stellen können, so wäre er, ungeachtet des Ausgangs des strafrechtlichen Verfahrens, seiner Rechte als Staatsbürger verlustig gegangen, und sein Besitz wäre an den Staat gefallen. Und wenn Sie mir aufmerksam gefolgt sind, wissen Sie, dass sein Besitz auch der seiner Frau war, solange die Ehe Bestand hatte. Die Tatsache, dass es sich schlicht und einfach um Mord handelte, und die sich daraus ergebende Notwendigkeit, aus dieser bedauerlichen Episode so wenig wie möglich Aufhebens zu machen, brachte das ganz Gebäude der Anklage zum Einsturz, bei dem der Staat auf seine Kosten gekommen wäre.
    Nun hat man

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