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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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ein Kochtopf mit in Wasser eingeweichten Kamillenblüten. Weiter hinten auf dem Büfett neben dem Schränkchen mit den Likörgläsern lag ein Filzteppich zum Kartenspielen, auf dem sich ein Körbchen voller Jetons und ein Satz Piquetkarten befanden. Der runde Tisch mit seinem Wachstuch war vollkommen leer. Auf halber Zimmerhöhe verströmte die Hängelampe mit ihrem Glasperlenschirm ihr grünliches Licht.
    »Zuerst müssen wir das Feuer wieder in Gang kriegen«, sagte Laviolette. Er packte den Haken und rüttelte damit am Rost. Daraufhin nahm er die Eisenringe heraus und legte zwei Scheite aus dem Holzkorb in die Asche. Dann machte er den Regler für die Luftzufuhr ganz auf und öffnete zusätzlich die Herdtür.
    »Als Nächstes«, fügte er hinzu, »müssen die nassen Klamotten runter!«
    Er hatte vier Stühle im Halbkreis vor dem Herd aufgestellt, mit der Lehne zum Feuer. Eilig zog er sich aus und breitete seine Kleider über die Stuhllehnen.
    »Na und? Worauf warten Sie?«, brummte er unter seinem Pullover hervor, den er sich gerade über den Kopf zog, »ich werde Sie schon nicht vergewaltigen.«
    Chabrand zuckte mit den Schultern und machte sich ebenfalls ans Ausziehen. Laviolette stand schon in seiner langen Unterhose und seinem Hemd aus grauem Flanell da – eines von der Sorte, die aus irgendwelchen Gründen immer schmutzig aussehen, selbst wenn sie neu sind. Chabrand trug eine weite, halblange Unterhose, und sein Unterhemd wirkte frisch und sauber. Wie ein gerupfter Hahn stand er da und sah mit seiner Brille, der ein Glas fehlte, ganz besonders nackt aus.
    »Rücken Sie zum Feuer!«, kommandierte Laviolette. »Ihre Haut sitzt viel enger auf den Knochen als meine. Und außerdem sind Sie viel zurückhaltender als ich, solche Leute frieren besonders leicht.«
    Er zwang ihn, sich zu setzen.
    »Mein Gott, Sie zittern ja!«
    Er trat hinter ihn und rieb ihm mit wachsender Begeisterung den Rücken.
    »Es ist nicht die Kälte«, murmelte Chabrand beleidigt und klapperte mit den Zähnen. »Ich werde nun mal mit dem Tod nicht so leicht fertig wie Sie.«
    »Gewohnheitssache«, gab Laviolette mit stoischem Gleichmut zurück. »Was nun? Ach ja, als Drittes sollten wir uns etwas Kräftiges hinter die Binde gießen.«
    Er steckte den Kopf tief in das Büfett und wühlte darin herum. Dann richtete er sich mit einer Flasche in der Hand wieder auf und hielt sie vor die Hängelampe. Mit der anderen Hand stellte er auf das Wachstuch zwei Gläschen, die er dem Schränkchen entnommen hatte. Auf der Flasche klebte das Etikett eines Schulhefts. Er versuchte es im Licht der Lampe zu entziffern.
    »Letzter Rest des Armagnac « , las er vor, »den mir 1949 ein dankbarer Schüler schenkte, nachdem er die Abschlussprüfung der Volksschule bestanden hatte. Na bitte. Das ist doch genau das, was wir jetzt gebrauchen können!«
    Er schob Chabrand ein volles Glas zu und beobachtete ihn, wie er vorsichtig daran nippte und dabei eine fürchterliche Grimasse schnitt.
    »Na, lässt es sich trinken?«
    Chabrand verzog das Gesicht. »Zur Not.«
    Draußen lag Barles in tiefer Stille. Das Gewitter hatte sich verzogen. Von den kahlen Bäumen auf dem Schulhof fielen die letzten Tropfen.
    Unter der Hängelampe saßen die beiden Männer und musterten die Trommel, die zwischen ihnen auf dem Wachstuch lag. Es war ein ganz gewöhnliches Instrument, wie es die städtischen Ausrufer früher benutzten. Abgesehen von der einzigen sauberen Stelle, auf die der Schlägel des Trommlers gefallen sein musste, sah das Trommelfell schmutzig und speckig aus. Die Trommel hatte einen verblassten blauweißroten Anstrich, wie ein Spielzeug aus früherer Zeit.
    »Sie dürfte einen Durchmesser von ungefähr sechzig Zentimetern haben«, gab Laviolette zu bedenken. »Sie hätte also durchaus in diese mysteriöse quadratische Paketschachtel passen können, die sich nach Ihrer Feststellung auf dem Speicher von Ambroisine Larchet befunden haben muss.«
    Er schaute zerstreut auf den Schlüsselbund, den er in seiner Hand auf-und abspringen ließ. Einer der Schlüssel sah auffallend abgenutzt, glatt und sauber aus, als sei er besonders häufig angefasst worden.
    Laviolette stand auf. Eine Tür links neben dem Kamin war nur angelehnt. Er ging auf sie zu und stieß sie auf. Er gelangte in einen dunklen Raum, in dem es nach kalter, frisch gewaschener Wäsche roch. Er machte das Licht an. Ein karg ausgestattetes Zimmer erschien vor seinen Augen, das Schlafzimmer eines armen Mannes. Kein

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