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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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nicht, was Sie damit meinen, aber nehmen Sie doch Platz! Dieser Sessel wartet schon auf Sie, und hier haben Sie einen Couchtisch, einen Aschenbecher und einen Fußsack! Ziehen Sie Ihre Schuhe aus und stecken Sie Ihre Füße hinein! Heute Abend kommt es kalt von den Wassern der Bléone herüber, und Erkältungen kommen immer von kalten Füßen. Übrigens habe ich gesehen, dass schon der erste Schnee auf dem Estrop gefallen ist.«
    Und da die Maronen fertig waren, richtete er sich auf, um seinem Gast die Hand zu reichen.
    »Eigentlich kommen Sie sehr gelegen! Gerade habe ich mich gefragt, warum ich so viele Maronen geröstet habe, und vor allem, warum ich diese Flasche Sancerre geöffnet habe.«
    »Sie wissen doch«, murrte Chabrand, »mein Magen …«
    »Ach, ja, richtig! Einen Magen hatten Sie auch!«
    »Gott sei’s geklagt! Den habe ich immer noch.«
    Er nahm seinen Carrick ab und legte ihn auf die Lehne einer Ottomane. Darunter trug er eine Tweedjacke, in der er sich wohl fühlte, obwohl sie ihm an den Schultern etwas zu breit war. In den sieben Jahren, die seither vergangen waren, hatte er bestimmt noch einmal drei bis vier Kilo abgenommen. Er ließ sich in den von Laviolette angebotenen Sessel fallen.
    »Na ja!«, seufzte er, »ein Schlückchen Sancerre könnte nichts schaden …«
    Dabei streckte er seine Hand in Richtung Pfanne aus.
    »Und ein paar von diesen Maronen wären ebenso verlockend«, fügte er hinzu.
    In Gedanken versunken fing er an, sie vorsichtig zu schälen – denn sie waren glühend heiß – und ihre Schale ins Feuer zu werfen.
    »Sie hätten wenigstens davon absehen können, sich ausgerechnet in … hm … Irènes Zimmer einzunisten«, murmelte er. »Einfühlungsvermögen ist wohl nicht Ihre Stärke.«
    »Wieso? Hol mich der Teufel, wenn ich nicht alles Nötige unternommen habe, um es so umzugestalten, dass es nicht mehr wiederzuerkennen ist! Sehen Sie doch selbst, wie gut es mir gelungen ist, diesen Tempel des guten Geschmacks zu verschandeln! Kitschiger geht es ganz bestimmt nicht!«, lachte er schallend. »Aber dafür ist es höchst gemütlich geworden.«
    »Die Luft hier drinnen ist noch die gleiche«, sagte Chabrand. »Und wenn ich mich umdrehe, sehe ich dieselben Bäume. Sie haben noch nicht mal das Grab des Satyrs einebnen lassen …«
    »Wissen Sie, der ewige Schlaf ist mir heilig, und im Übrigen gehört die Erhaltung des Grabs zu meinen Auflagen. Außerdem ist es ein verdammt gutes Liegeplätzchen! Hier aale ich mich stundenlang in der Sonne.«
    »Wie schaffen Sie das überhaupt, so glücklich zu sein?«, seufzte Chabrand. »Sie sind doch allein!«
    »Na und? Meinen Sie, dazu brauche man gleich mehrere?«
    Er stand auf, räkelte sich langsam und ging zur Terrasse, die er einem taktvoll kratzenden Kater öffnete. Hoheitsvoll und mit fragend erhobenem Schwanz kam er herein, maß Chabrand mit seinem Blick, näherte sich, um an seiner Hose zu riechen, zeigte sich ungerührt gegenüber den plumpen Annäherungsversuchen Laviolettes und sprang schließlich auf den Carrick, auf dem er regelrecht herumtrampelte, ohne die Krallen einzuziehen.
    »Man sollte mit offenen Türen leben«, seufzte Laviolette.
    »Hören Sie, was für ein prächtiger Wind heute Abend durch die Bäume geht?«
    »Ja«, sagte Chabrand, »das höre ich. Apropos Wind …« Er hielt ihm sein leeres Glas hin. »Aber lassen Sie mich erst mal von diesem Sancerre kosten. Sie mögen diesen Raum noch so sehr verschandelt haben … es bleibt da ein gewisses Etwas, das – ganz im Verborgenen – hartnäckig abstößt. Ein gewisses Etwas, das mir immer noch etwas zu sagen hat. Alkeste hatte schon Recht: die Zeit heilt keine Wunden.«
    Laviolette schenkte ihm ein halbes Glas ein, blieb stehen und wartete ab.
    »Wenn ich heute Abend zu Ihnen komme – und das hat mich einige Überwindung gekostet, das können Sie mir glauben –, so sicherlich nicht, wie Sie sich denken können, um mich über den Wind zu unterhalten.«
    Er hörte einen Augenblick lang auf zu sprechen, lange genug, um sein Glas auszutrinken und es Laviolette gebieterisch hinzuhalten.
    »Und noch weniger, um die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen«, fügte er hinzu.
    »Und dieser Gang nach Canossa? Worum geht es da?«
    »Um ein Problem. Ein unlösbares Problem.«
    »Ich bitte Sie! Wenn Sie gerade erst darauf gestoßen sind, so …«
    »Es ist ein Verbrechen begangen worden«, sagte Chabrand.
    »Das weiß ich. Schließlich lese ich jeden Morgen die Zeitung und

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