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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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rückten. Sie bestellte irgendein grünliches, meerfarbenes Zeug, das aus Gin, Wermut und Eisenkraut bestand. Schon nach zwei Minuten setzte die Wirkung ein; der Alkohol breitete sich bis in die Zehenspitzen aus und versetzte sie sofort in eine extravertierte Stimmung. Ihre kräftige Schulter, Erbteil eines Straßenarbeiters, stützte sich wie versehentlich auf die ihres Nachbarn. Er fragte sie, ob sie tanzen wolle. Ohne zu antworten, stieg sie von ihrem Hocker und brachte sich ihm gegenüber in Stellung. Die drei Saxophone, das Banjo und der Kontrabass wurden sofort zu ihren Komplizen. Digne, die Zedern, die Villa im Stil von 1925, all das schien plötzlich weit weg zu sein.
    Entgegen dem Trend, der verlangt, dass sich die Tänzer einsam und getrennt einander gegenüberstehen, verstand ihr Partner sofort, dass man Ambroisine fest an sich drücken musste. In diesem Fall brauchte man keine Angst zu haben, indezent zu erscheinen. Bei der engen Tuchfühlung knisterte der Brief zwischen den üppigen Brüsten der Witwe und erinnerte unablässig an seine Existenz.
    Mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden.
    Vom Alkohol und einem aufkeimenden Begehren berauscht, wie sie war, erhielt dieser Sinnspruch plötzlich einen albernen Klang für sie, und sie spottete heimlich darüber.
    Für das Banjo, die drei außer Puste geratenen Saxophonspieler und den heimlich Chopin plagiierenden Pianisten war der Tanz nun zu Ende. Ambroisine und ihr Kavalier kehrten zu ihren Hockern zurück und schauten sich endlich an.
    Natürlich kannten sie einander so weit, dass sie wussten, wer der Vater und der Großvater des anderen war, und natürlich waren sie einander hin und wieder in Digne über den Weg gelaufen.
    Gemeinsam kehrten sie zur villa des cèdres zurück. Mit viel Erfindungsgabe und übertriebenen Liebesseufzern schaffte Ambroisine es, das Beisammensein bis weit nach Mitternacht auszudehnen. Das war allerdings auch alles. Für die wirklich entscheidenden Stunden in der Ungewissheit der Nacht erklärt sich ein Liebhaber nicht zuständig. Die Stunden, in denen die Seele zwischen zwei unerreichbaren Häfen hin und her segelt. Im Übrigen hatte ihr gewissenhafter Gespiele, auf die Gefahr hin, die Lust zu ersticken, die er vorgab, ihr zu verschaffen, bereits seit mehreren Viertelstunden immer wieder den Kopf erhoben, »Pssst!« gerufen und angestrengt gehorcht.
    Die Zedern und der Wind hatten sich ja zu einem gewaltigen Aufruhr zusammengetan. Schon als er unter den Bäumen hindurchging, war ihm dieses finstere Haus nicht geheuer vorgekommen. Seine Großmutter, die ihm bei dieser Gelegenheit in den Sinn kam, hatte ihm immer gesagt, dass man eine Zeder in einem Umkreis von mindestens hundert Metern von einer Behausung nicht dulden solle; denn eine Zeder sei ein in einen Baum verwandelter eifersüchtiger Mann, der um jeden Preis ein Heim finden, sich an einen Tisch setzen und mit einer Frau schlafen wolle. Wenn es ihm nicht gelinge, tatsächlich in die Behausung einzudringen, so werde er danach trachten, sie ihrer Bewohner zu berauben, etwa durch ein geduldig eingefädeltes Unglück; er werde versuchen, sie in Kälte und Dunkelheit zu tauchen, um sie dann umso leichter nach Belieben mit seinen Wurzeln sprengen, mit seinen zärtlichen Zweigen einschließen, sich völlig zu Eigen machen und unter seinem Schatten ersticken zu können.
    Man kann nie wissen, auf welchem Weg das Geschwätz einer alten Großmutter plötzlich in einer ganz aktuellen, beängstigenden Wirklichkeit Gestalt annehmen kann. Und obendrein war an diesem Haus etwas faul, vermutlich genau das, was der Wind in den Zedern zu ersticken versuchte; etwas, das an einen angehaltenen Atemzug erinnerte, etwas Heimliches, Gedämpftes.
    Der Mann zuckte inmitten seines gespannten Wartens zusammen. In großer Entfernung, hoch über dem Bett, hatte es eine kleine Erschütterung gegeben, so als ob sich Kätzchen mit ihren Samtpfoten um einen Wollknäuel balgten.
    »Was hast du?«, fragte Ambroisine, die sich bei ihrer Suche nach Lust gestört fühlte.
    Er musterte sie im opalisierenden Licht der rosafarbenen Nachtlampe. Sie hatte sie brennen lassen, um einige Unvollkommenheiten ihres Körpers zu verdecken, die verführerischen Rundungen hingegen durch schwachen Schattenwurf hervorzuheben. Ihr Gesicht erschien ihm viel zu rot, wie das eines Vampirs auf der Leinwand. Sie war Teil jenes Geheimnisses, das er um sich spürte und das ihn vollständig durcheinander brachte. Trotz

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