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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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Text?«
    »Mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden«, rezitierte der Richter in düsterem Tonfall.
    »Und natürlich wurde wie bei Mademoiselle Champour cienx nichts gestohlen?«
    »Doch! Es wurde etwas gestohlen!«
    »Und was?«, fragte Laviolette interessiert.
    »Das wüsste ich auch gern.«
    »Wie bitte? Sie sagen, es sei etwas gestohlen worden, und Sie wissen nicht, was?«
    Wie schon bei seinem ersten Besuch öffnete Chabrand unvermittelt seine rechte Hand, in der ein Schlüssel verborgen war. Er ließ den Schlüssel auf seiner Handfläche tanzen, so wie man einem Laufburschen das zu erwartende Trinkgeld unter die Nase hält. Und Laviolette, der dem Reiz dieses Geheimnisses nicht widerstehen konnte, warf begehrliche Blicke auf den Schlüssel.
    »Wir gehen hin, wenn Sie wollen«, schlug der Richter vor. »Es ist nicht mal einen Kilometer von hier. Allerdings gehen wir zu Fuß, um nicht unnötig Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn Sie möchten. Denn damit wir uns recht verstehen: Das Ganze hier ist absolut illegal.«
    »Natürlich«, pflichtete Laviolette bei und ließ dabei den Schlüssel nicht aus den Augen.
    »Die Polizisten sehen mich schon schief an. Die wissen auch, dass ich zu Ihnen gekommen bin … Wie nach Canossa!«, höhnte Chabrand mit einem grimmigen Lachen.
    »Das scheint mir nun doch überzogen!«, stöhnte Laviolette. »Ist es denn so schwer, sich vorzustellen, dass wir hier einfach gemeinsam unseren wehmütigen Erinnerungen nachhängen?«
    »Was haben Sie anderes erwartet?«, seufzte Chabrand. »Wenn man es mit Pragmatikern zu tun hat … Es regnet!«, fügte er hinzu. »Stört Sie das nicht?«
    »Im Gegenteil. Warten Sie einen Augenblick. Ich habe nicht jeden Tag die Gelegenheit, meinen Regenschirm auszuführen. Sie werden ihn halten, er reicht für uns beide. Das wird alte Erinnerungen wachrufen!«
    Wie ein Bataillon in Habachtstellung standen die Zedern dieses Mal reglos im unermüdlichen Regen.
    Ein wenig schwankend erklommen der Richter und der Pensionär eng aneinandergedrängt unter Laviolettes großem blauen Regenschirm die Windungen der Treppe, ein Don Quijote der eine, ein Sancho Pansa der andere. Vor der verschlossenen, jetzt verlassenen Tür begannen schon die Blätter des wilden Weins zu verrotten.
    Der Richter steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.
    Wenn ein Haus seine Seele verloren hat, verbreitet sich in der plötzlichen Leere, die niemand mehr ausfüllen wird, eine betroffene Stille. Und jedes Geräusch, das man von da an in diesem Haus macht, wird sich zu einem anstößigen Lärm auswachsen, wird von einer Wand zur anderen, von einem Flur zum anderen widerhallen, schrill und disharmonisch, als könnten die Mauern keine Musik mehr vertragen, nachdem ihnen die rechte Stimmung abhanden gekommen ist. Doch diese seltsame Besonderheit der Macht des Todes können nur Ohren wahrnehmen, die aufnahmebereit sind für die leisesten Töne des Lebens. Vernünftige Leute durchschreiten solche Einöden mit der Ernsthaftigkeit eines Notars, und ihr nachsichtiges Lächeln zeigt, was sie von jemandem halten, der ihnen gegenüber andeutet, irgendetwas fehle da in der Luft.
    »Wir sollten leise sprechen«, murmelte Laviolette, der das Geheimnis solcher Häuser kannte.
    Chabrand sah ihn von der Seite an und betrachtete ihn prüfend im Schein seiner Taschenlampe, aber er gehorchte.
    »Es wäre besser«, flüsterte er, »wenn wir kein Licht anmachen würden. In Anbetracht der absoluten Illegalität unseres Tuns sollten wir möglichst vermeiden, Aufmerksamkeit zu erregen. Halten Sie sich hinter mir, ich leuchte Ihnen.«
    Er stieg die Stufen hinauf und erreichte den Flur des ersten Stocks. Hier hielt sich noch zwischen dem Nippes auf den zerbrechlichen Möbeln Ambroisines schweres Parfüm.
    »Wollen Sie ihr Zimmer sehen?«, bot Chabrand an.
    »Ich nehme an, Ihre Männer haben alles durchsucht?«
    »Alles. Die Schränke, die Schreibtische, die Mülleimer, die Siphons der Waschbecken und Badewannen. Die Rückseiten der zahlreichen, übrigens zumeist mittelmäßigen Gemälde. Welche Unmengen an Staub und Spinnweben! Das Innere der Fassungen der Glühbirnen!«, fügte er hinzu. »Jede einzelne Facette der Kronleuchter! Sie haben sogar die Gewichte der Hängelampen aufgeschraubt, in die Standuhren geschaut und die Kamine ausgekehrt. Ergebnis: Ich habe dreihundert Fotos auf meinem Schreibtisch, für nichts und wieder nichts! Sie können mir glauben, wenn es irgendetwas zu finden

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