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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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sahen, wie Bertrand Nicoles Koffer die Treppe zur Haustür hochwuchtete. Anna drehte sich plötzlich zu Enzo um. «Das klingt alles ziemlich beängstigend.»
    «Wenn du willst, dass wir verschwinden, habe ich dafür Verständnis. Falls wir bleiben, bezahlen wir für Kost und Logis. Und die Kinder packen im Haushalt ordentlich mit an.»
    Kurz dachte sie nach, die Lippen geschürzt. «Und wo würdet ihr sonst hingehen?»
    Er zuckte die Achseln. «Keine Ahnung. Wahrscheinlich würde sich irgendwo ein Hotel finden.»
    Sie sah ihm eindringlich in die Augen. «Eigentlich weiß ich so gut wie nichts über dich …»
    Er lächelte schuldbewusst. «Aber du lässt uns wenigstens heute Nacht bleiben?»
    Sie überlegte eine Weile. «Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt. Diese Nacht in Straßburg … da wusste ich rein gar nichts von dir. Wir waren uns vollkommen fremd. Aber du hast mir ein Gefühl gegeben … wie soll ich sagen … so was wie Geborgenheit. Das tust du noch immer. Und wenn ich dir im Gegenzug Schutz bieten kann …» Sie nahm sein Gesicht in die Hände. Sanft umfasste er ihre Taille, beugte sich vor und küsste sie. Ein zarter Kuss auf kühle Lippen. Dann nahm er sie in die Arme und hielt sie fest. «Danke, Anna.»
    Er spürte ihren Atem am Ohr. «Bist du sicher, dass deine Tochter nicht eifersüchtig auf mich ist? In Straßburg war sie offenbar nicht gerade begeistert, mich in deinem Zimmer zu sehen.»
    « Töchter , im Plural», sagte Enzo. «Und da ich bei ihrem Liebesleben nichts zu melden habe, sehe ich nicht, wieso das umgekehrt anders sein sollte.»
    * * *
    «Ein One-Night-Stand?» Sophie sah Kirsty fassungslos an.
    «Das ist doch typisch», mischte sich Nicole ein, und die Schwestern drehten sich zu ihr um. Vor Verlegenheit wurde sie rot und ruderte zurück. «Na ja, ich meine, wo euer Vater ist, braucht man nach einer Frau nicht lange zu suchen.»
    Sophie wandte sich wieder Kirsty zu. «Jemand hatte gerade erst versucht, dich zu töten, und er reißt in einer Bar eine Frau auf?»
    Sie saßen in einem großen holzgetäfelten Wohnzimmer. Eine Doppeltür führte zu einem langen gefliesten Flur, und genau gegenüber stand die Tür zu einer riesigen Küche offen, wo es aus einem in die ursprüngliche Feuerstelle eingebauten Rayburn-Herd angenehm duftete. Im Wohnzimmer brannte ein Holzfeuer im Marmorkamin, der mit Nippes und Kerzenleuchtern vollgestellt war. Der Raum war mit großen, bequemen Sofas und Sesseln ausgestattet, und an den Wänden hingen unzählige verschwommene Aquarelle mit Landschaften aus einem fremden Land.
    Kirsty fläzte sich in einem Sessel und war zum ersten Mal seit Tagen entspannt, obwohl sie Gewissensbisse hatte, weil sie das Geheimnis ihres Vaters ausgeplaudert hatte. «Ich denke, er hat sich noch mit einigem anderen gequält. Schließlich ging er davon aus, dass er bald stirbt.»
    Doch Sophie war zu solcher Nachsicht nicht bereit. «Und deshalb zieht er los und springt mit einer Frau ins Bett, die er nicht einmal kennt?»
    «Lasst gut sein.» Bertrand hockte neben Sophie auf dem Sofa. «Hätte er diese Frau nicht in Straßburg kennengelernt, hätten wir jetzt keine Ahnung, wohin.»
    «Dabei wissen wir auch nicht mehr über sie als er.» Sophie war aufgebracht. «Wie sehen Sie das, Monsieur Raffin?»
    Alle drehten sich zu Raffin um, der mit seinem geöffneten Laptop und einem aufgeschlagenen Buch neben sich an einem kleinen Tisch am Fenster saß. Als er seinen Namen hörte, sah er auf. «Was?»
    «Schon gut, Roger, ist nicht so wichtig.» Kirsty winkte ab und wandte sich wieder ihrer Schwester zu. «Nun beruhig dich mal wieder, Sophie, bitte. Wir sind jetzt hier. Ob du sie magst oder nicht, wir wussten nicht, wohin, und dank Anna haben wir ein Dach über dem Kopf.»
    «Was meint ihr, wie viel sie weiß?», fragte Bertrand.
    «So viel, wie Dad ihr gerade erzählt, schätze ich mal.» Kirsty strich sich mit ihren langen Fingern durchs seidige Haar. «Aber wie viel das ist – wer weiß? Schließlich ist die Geschichte ziemlich schwere Kost für jemanden, der bisher nicht die geringste Ahnung hatte. Besonders für jemanden, den man erst seit einer Nacht kennt.»
    Sie hörten, wie die Haustür aufging, und drehten sich erwartungsvoll zum Flur um. Anna und Enzo brachten die Kälte mit herein, und ihre frierenden Gesichter liefen in der Wärme des Hauses rosig an. Anna lächelte unbehaglich. Das betretene Schweigen im Wohnzimmer ließ kaum Zweifel daran, dass sie und Enzo eben

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