Der Moloch: Roman (German Edition)
Sieg hatte nur wenig Wirkung gezeigt. Marcellus war immer noch von vielen Feinden umringt.
» Genug!«, brüllte er plötzlich.
Der Schrei war so laut, dass Petalina die Ohren klingelten, aber wenigstens schien er trotz der Ohrstöpsel auch die Soldaten erreicht zu haben. Sie hielten einen Moment inne, die blutigen Schwerter immer noch erhoben.
Marcellus warf ihr von der anderen Seite der Halle einen Blick zu. » Du bist tapfer, Mylady«, sagte er. Obwohl er leise sprach, klangen diese Worte in ihrem Herzen wie feierliches Glockengeläut.
Dann drehte er sich zu den Leibwächtern herum. » Lasst die Frauen gehen«, sagte er zu ihnen und deutete mit seinem Schwert erst auf Petalina und das verletzte Mädchen und dann auf die Tür. Die Bedeutung seiner Worte war klar, selbst für Taube.
Doch der Anführer der Rebellen hatte dafür nur Hohn übrig. » Warum sollte ich deine Hure verschonen, Marcellus?«
» Warum solltest du mich töten, Mallet? Wir haben endlose Male Seite an Seite gekämpft. Warum verrätst du deine Cité?«
» Du bist der Verräter!«, knurrte Mallet, der diese Worte offenbar verstanden hatte. » Sobald du und diese Kreatur, die du Kaiser nennst, tot seid, werden wir Frieden mit den Blauen machen. Sie wollen diesen Krieg ebenso wenig wie wir.«
» Das ist also deine Philosophie, Mallet? Wir sollen uns ergeben und für die Sache des Feindes sterben?«
Aber Mallet hatte ihn nicht gehört. Er gab seinen Männern mit Handzeichen Befehle. Petalina vermutete, dass sie nur noch wenige Augenblicke zu leben hatten.
Die Vinceri waren hoffnungslos unterlegen und verletzt und sahen sich lange an. Sie sprachen kein Wort, aber Petalina spürte, dass sie eine Entscheidung getroffen hatten. Dann drehte sich Marcellus um und warf ihr durch die blutverschmierte Halle einen Blick zu.
» Ich habe dich immer geliebt, Mylady«, sagte er. Er sprach diese Worte ohne jede Wärme, aber sie trafen sie mitten ins Herz und trieben ihr die Tränen in die Augen, denn bisher hatte er so etwas noch nie zu ihr gesagt. Sie versuchte zu lächeln, denn sie wusste, dass er ihr das nur sagte, weil er sterben würde und sie mit ihm. » Ich werde dich nie vergessen und dich immer in Ehren halten«, sagte er.
Dann senkten die beiden Männer ihre Schwerter, und einen Augenblick lang herrschte unsichere Stille im Raum. Petalina spürte plötzlich ein Summen tief in ihrem Kopf, und Schmerzen breiteten sich aus. Sie schüttelte den Kopf, versuchte den Schmerz zu vertreiben, und sah, dass einer der Soldaten dasselbe tat. Aber der Schmerz wurde stärker, und Furcht brannte in ihrem Magen. Angst und Übelkeit schienen sie zu umhüllen, verschluckten sie, und im nächsten Moment zitterte sie am ganzen Leib. Die beiden Brüder schienen vor ihren schmerzenden Augen größer geworden zu sein, überragten die Männer um sie herum. Der Schmerz in ihrem Kopf schien ihren Schädel zu spalten, und ihr Magen schien sich immer weiter aufzublähen. Sie kniff die Augen zusammen, presste die Hände an den Kopf und schrie, um den schrecklichen Druck loszuwerden. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass die Soldaten die Schwerter hatten fallen gelassen und ebenfalls ihre Köpfe umklammerten. Nur Mallet hob seine Waffe und versuchte weiterzugehen, um die Vinceri anzugreifen. Es schien, als würde er sich durch eine unsichtbare Wand kämpfen. Blut strömte aus seinem Mund, aus Augen und Ohren, aber er griff trotzdem weiter an. Er hatte den Mund zu einem lautlosen Schrei aufgerissen.
Das Letzte, was Petalina in ihrem Leben sah, war, wie der Soldat in einer Fontäne aus Blut explodierte. Seine Glieder und sein Kopf flogen durch die Luft, sein Blut ergoss sich über den Boden, die Wände und die beiden Männer vor ihm. Petalina hatte den Mund weit aufgerissen, und ihre Augen traten ihr fast aus den Höhlen, als sie spürte, wie dieser schreckliche Druck in ihr sich immer stärker aufbaute. Sie flehte um Erlösung.
Draußen hämmerte Riis mit beiden Händen frustriert an die massiven Türen. Er hatte drei seiner Leute losgeschickt, um etwas zu finden, was man als Rammbock benutzen konnte, und zwei weitere kletterten über dem See an der Außenseite des Opernhauses herum, um einen Weg hinein zu finden. Die beiden kamen rasch zurück und meldeten, dass die weißen Mauern glatt und glitschig waren und keinerlei Halt boten. Riis blickte zu dem hohen, kunstvollen Dach hinauf und fragte sich, ob er auf diesem Weg ins Innere gelangen konnte.
Dann hörte
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