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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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sagen«, meinte Widger. »Man wird vermutlich ein bißchen exzentrisch, wenn man sein ganzes Leben lang Leichen aufgeschnitten hat.«
    »Wie ist er denn?«
    »Sieht selbst wie eine Leiche aus.«
    »Das erwartet man eigentlich nicht«, sagte Ling, »nicht bei einem solch warmen, behaglichen Namen.«
    »Warum können wir ihm den Kopf nicht vor sieben Uhr bringen?«
    »Weil er zu Bett geht.«
    »Zu Bett?«
    »Ja. Anscheinend hat er sich die ganze Nacht mit dem, ähm, Rumpf beschäftigt. Das ist also nur gerecht«, sagte Ling großzügig. Er setzte eine Brille mit halber Hornfassung auf als wäre plötzlich das Geld ausgegangen und blickte wieder auf die Uhr. »Jetzt können wir also – «
    Ein lautes Klopfen unterbrach ihn. Sergeant Connabeer, der diensthabende Beamte von unten, kam herein. Er schwenkte eine mit Schreibmaschine geschriebene Namensliste, die abgehakt war mit Bleistift.
    »Sie sind jetzt alle da, Sir«, sagte er. »Der Neger war der letzte.«
    »Brav«, nickte Ling. »Alles unter Kontrolle?«
    »Ziemlich, Sir obwohl es natürlich ein Gedränge gibt und ich mehr Stühle holen lassen mußte… Die Reporter sind eine Plage. Wir könnten auf sie verzichten.«
    »Dann schicken Sie sie fort.«
    »Sie reden mit den Zeugen.«
    »Dann werfen Sie sie hinaus höflich, versteht sich. Sie haben kein göttliches Recht, hierzusein. Sagen Sie ihnen, ich werde vor Abend nichts bekanntgeben können.«
    »Sie sagen, sie hätten Redaktionsschluß.«
    »Das geht mich nichts an«, erklärte Ling. »Im Augenblick gibt es keine weiteren Informationen. Ich habe selbst keine«, fügte er wahrheitsgemäß hinzu.
    Connabeer dachte nach und fand einen Hoffnungsstrahl.
    »Mr. Ticehurst ist jetzt übrigens da«, sagte er. »Sie sind also über ihn hergefallen. Ach ja, und er läßt fragen, ob Sie fünf Minuten für ihn Zeit hätten, bevor Sie anfangen.«
    Und Ling seufzte.
    »Ich denke schon«, sagte er. »Ja, ich denke schon. Schicken Sie ihn gleich herauf.«
    Ticehurst, der vor zwei Jahren im Rang eines Chefinspektors aus dem uniformierten Zweig in den Ruhestand getreten war, diente jetzt dem County als Pressesprecher, wofür er besonderes Talent mitbrachte.
    Glatzköpfig, dick und strahlend, watschelte Ticehurst mit einer Ausgabe der >Sunday Gazette< in Widgers Büro. Dank Padmore hatte die >Gazette< einen Knüller bringen können. Während die anderen Sonntagszeitungen von der Leiche im Botticelli-Zelt zu spät erfahren hatten, um noch reagieren zu können, war die >Gazette< in der Lage gewesen, fast die ganze erste Seite neu zu umbrechen. Dort war Padmores Bericht stark verändert erschienen. Er war ausgeschmückt worden mit sieben Druckfehlern, einem verschwommenen Bild von Fen (dem Anschein nach im Alter von fünfzehn Jahren aufgenommen) und einem Tribut an den Verfasser in Form der Autorenzeile >J. G. Podmote<.
    »Eddie«, sagte Ticehurst. »Widger. Nun, da scheint ihr wieder mal ein wunderhübsches Verbrechen zu haben«, fuhr er fort. »Wieder ein wirklich wunderhübsches Verbrechen.« Mit Vorsicht ließ er seine massige Gestalt auf einen der wackligen Stühle nieder.
    »Wo sind Sie gewesen?«
    »Urlaub, mein lieber Junge, Urlaub.« Er wedelte mit der >Gazette< wie mit einem Fächer und wand sich, um einen Flamencotanz anzudeuten. »Im sonnigen Spanien, für meine Wenigkeit ein bißchen zu sonnig. Mag die Hitze nicht. Bin froh, wieder da zu sein. Wo sind Sie übrigens gewesen, Eddie? Wie ich höre, sind Sie erst heute vormittag hier aufgetaucht.«
    »London.« Lings Pfeife war wieder ausgegangen, und er drehte sie nun langsam zwischen den Händen wie ein Hühnchen am Bratspieß; bei jeder Drehung fiel Asche auf den Schreibtisch. »Der Met ausgeholfen, im Fall Harding.«
    »Ah, das, ja. Gibt es genug Indizien, um ihn festzunehmen?«
    »Der Kronanwalt glaubt, nicht. Also versuchen es alle noch einmal.«
    »Das hat Sie also aufgehalten.«
    »Ja«, sagte Ling. »Der Chef wollte mich hier dabeihaben, weil ein Zusammenhang mit Routh und Hagberd möglich erschien, also machte es ihm nichts aus, zu warten, bis ich heute früh zurückkam. Charles hier war durchaus kompetent, die vorbereitende Arbeit zu leisten.«
    Zu seinem Schrecken entdeckte Widger, daß die Müdigkeit ihn zu einem einfältigen Lächeln veranlaßte. Er zog mürrisch die Mundwinkel nach unten, drückte dadurch auf irgendeine Weise Speicheltröpfchen in seine Luftröhre und bekam einen Erstickungsanfall. Durch seine Hustenkrämpfe nahm er Ticehursts flüchtige

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