Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Seekatze durch etwas Neues ersetzen zu müssen.
Einen weiteren Augenblick genoss der Kapitän noch die verdutzten Gesichter. Dann befahl er seinen wartenden Seeleuten: „Nehmt den ehemaligen Sklaven die Ketten ab und gebt ihnen stattdessen Nahrung und Waffen. Mit den Aufsehern verfahrt ihr umgekehrt!“
*
Mira blieb mit zwei jüngeren Wissenschaftlern zurück und beobachtete, wie Tarz Bargon mit seinen Soldaten und ein paar der kämpferischen unter den Forschern, auf die trutzig wirkende Festung zustürmten. Die übrigen Wissenschaftler, die sich von den Soldaten leicht dadurch unterscheiden ließen, dass sie keine Rüstungen trugen und meist weniger kräftig waren, blieben etwas zurück. Dort standen sie einfach herum. Mira konnte nicht erkennen, dass sie irgendetwas taten und erst später ging ihr auf, dass sie Zauber wirken mussten. Darauf hatte Begon Veraz sie ja hingewiesen. Die in deren kehligen Sprache geführten Unterhaltungen ihrer beiden Gesellschafter halfen ihr natürlich nicht, die Situation besser zu verstehen. Also musste sie sich auf ihre eigenen Beobachtungen verlassen.
Dreißig Kämpfer, die auf die Festung zustürmen und ich meine in einer Besprechung wäre gesagt worden, darinnen könnten ebenfalls dreißig stationiert sein. Die Mauern sehen unüberwindlicher aus, als sie sind. Zwar sind die Dächer sehr massiv, weil hier Flugtiere angreifen könnten, ansonsten ist das aber nicht wirklich befestigt. Wozu auch. Von da unten aus dem Meer könnte es keine Angriffe auf diese Kaserne geben. Dazu liegt sie zu hoch. Und die Stadt als solche gilt normalerweise als sicher. Obwohl diese Muskelberge Menschen garantiert überlegen sind, fragt man sich, ob für den Sturm auf ein festes Gebäude keine größere Übermacht nötig wäre ….
Miras Bedenken erwiesen sich in kürzester Zeit als unbegründet. Die Besatzung der Festung bestand zum kleinsten Teil aus den erfahrenen Soldaten Lianta Xintalls. Hauptsächlich hausten hier noch die Überläufer, die die Feste ursprünglich für den Feind in Besitz genommen hatten. Schon beim Heranstürmen schleuderten Tarz Bargons Leute treffsicher Spieße auf die überraschten Wachen auf den Mauern und dass zwei ihrer Mitstreiter offenbar unter dem Einfluss jener mysteriöser Kräfte buchstäblich der Kopf platzte, trug nicht zu ihrer moralischen Festigkeit bei. Tarz Bargons Trupp überwand mithilfe von Wurfhaken die eher niedrigen Mauern in wenigen Herzschlägen ( Falls die überhaupt Herzen haben , dachte Mira schaudernd) und fiel ungebremst über die Verteidiger her. Mira sah, wie Tarz Bargons herabfahrende Waffe dem betreffenden Soldaten die Klinge aus der Hand schlug als sei sie ein Spielzeug und ihr kräftiger Träger ein kleines Kind.
Dann verlagerten sich die Kämpfe ins Innere und waren damit außer Sicht. Menschliche Entsetzensschreie deuteten darauf hin, dass sich das Kampfgeschick nichtmehr wendete. Einmal meinte Mira, dass ein Windhauch ihr den Geruch von frischem Blut zutrug. Dann öffneten sich von innen die Tore und Tarz Bargon trat heraus. Er rief etwas in seiner eigenen Sprache und winkte die draußen Wartenden heran. Wohl keiner der Verteidiger hatte gegen die vermeintlichen Monster gewagt zu kapitulieren und keiner war geschont worden.
Mira wurde durch die Festung geschoben. Sie versuchte nicht hinzusehen, konnte aber nicht vermeiden, einiges Blut und abgetrennte Gliedmaßen wahrzunehmen. Ein halb offener Balkon ermöglichte ihr den freien Blick auf den Hafen. Dort wartete sie auf die ersten Anzeichen, dass dort drunten, zweitausend Meter tiefer, die Schlacht losging. Sie legte Pinsel bereit, stellte eine große Leinwand auf eine mitgebrachte Staffelei, sortierte ihre Farben und ließ das Panorama auf sich wirken. Links und rechts neben ihr begannen Tarz Bargons gewaltige Kriegerinnen und Krieger, die Festungsgeschütze mit roh behauenen Felskugeln zu laden. Erst da erkannte auch sie, dass weit draußen auf dem Meer die ersten Schiffsmasten in Sicht kamen. Verena hat sie also schnell genug geführt. Jetzt kämpfen sie an den Toren der Oberstadt und im Minental. Es hat begonnen, auch wenn hier noch nichts davon zu sehen ist.
Bisher hatte sie die Kälte auf dem Tafelberg kaum registriert. Mit einem Mal fröstelte Mira. Vor ihrem geistigen Auge konnte sie unerwartet deutlich sehen, was sich dort drunten für grausame Szenen abspielen mussten. Mehr noch: Es war ihr, als empfinge sie ein schwaches Echo all der starken Empfindungen.
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