Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
verflogen war. Er überprüfte die Schlitten und gelangte zu der Ansicht, dass sie bereits stabil genug wären, wenn er auch vorsichtshalber einiges Reparaturmaterial bereitlegte. Schneeschuhe und Steigeisen konstruierte er aus robusteren Materialien völlig neu, bevor er übermüdet auf einem Haufen aus Kleidungsstücken in seiner Werkstatt im Frachtraum einschlief.
So kam es, dass Erik erst eine Stunde geschlafen hatte, als die Anderen ihn zu einem guten ´Frühstück´ riefen. Eigentlich schienen alle mehr oder weniger guter Dinge zu sein. Das hing auch damit zusammen, dass Eriks Eigenbaukocher sich hervorragend eigneten, neuen, richtig heißen Kaffee zu kochen, der viel besser ausfiel als die dünne Brühe, die die Fluggesellschaft selbst ihren Passagieren der ersten Klasse zumutete. Katja und Lena hatten sich offenbar schon vorher zu einer längeren Lagebesprechung zurückgezogen. Erik war gespannt, was es für Neuigkeiten gab.
Katja war es, die der Gruppe jetzt offiziell berichtete, was sie herausgefunden hatten: „… Wir hoffen, dass wir nicht in der Mitte der Antarktis, sondern am Rand sind. Genauer kann Sven das erst einschätzen, wenn er erst mal weiß, wie lang dieser Tag noch wird. Denkbar, aber unserer Einschätzung nach weniger wahrscheinlich, wäre, dass wir auf dem Festland im nördlichen Polarkreis sind. Dann müsste es aber eigentlich Winter sein, und für einen polaren Winter scheint es uns eher noch zu warm. Wir gehen erst mal weiter von der Südpolarregion aus. Für unsere Situation würden die meisten möglichen Plätze in der nördlichen Hemisphäre ohnehin nicht besser aussehen. Auch wenn unsere Hoffnung, nicht direkt am Pol gelandet zu sein, berechtigt sein sollte, gilt: Wir wissen nicht, ob wir es hier mit einem halben Tag oder mit mehreren Wochen Fußmarsch zu tun haben, bevor wir ans Meer kommen. Wir wissen nicht, wie lange wir an der Küste entlang wandern müssen, bevor wir Hilfe finden. Für die Antarktis haben wir keinerlei Karten. Wir werden trotzdem alle gemeinsam gehen. Wenn jemand zurückbliebe, hätte er keine Chance, gerettet zu werden. Das bedeutet aber, dass wir mit viel schwererem Gepäck aufbrechen müssen als bisher geplant. Wir brauchen alle Lebensmittel, abgesehen von dem Zeug, was viel wiegt und ohnehin nicht satt macht. Außerdem will ich eine zusätzliche Garnitur Wechselkleidung dabeihaben und viel mehr Kerosin. Der Aufbruch ist auf übermorgen vertagt. Der lange Tag bedeutet auch, dass die Nacht kurz sein wird. Gleich nach diesem Briefing machen wir draußen einen ersten gemeinsamen Testlauf mit der Ausrüstung, die wir schon haben. Dann geht es gleich wieder an die praktische Arbeit, damit wir vor der Dämmerung noch etwas erledigt bekommen. Es hat aber keinen Sinn, dass wir die kommende Nacht mit schlafen vertrödeln. Wir sind jetzt ausgeschlafen. Bevor wir richtig müde würden, dürfte die Nacht vorbei sein. Deswegen nutzen wir sie mit lernen. Ihr habt alle wenigstens etwas Ahnung von Technik, Navigation, Überleben im Eis und so weiter. Heute Nacht werdet ihr Lena und mir alles darüber erklären, egal was ihr wisst. Wir müssen so gut wie möglich bescheid wissen, wenn wir weiterhin kluge Entscheidungen für uns alle treffen sollen. Fragen? Keine? Dann werft euch in eure Ausrüstung und raus mit euch!“
Die folgenden zwei Stunden waren harte Arbeit im tiefen Schnee. Sie probierten sich am Be- und Entladen der Schlitten, übten Zelte aufbauen und das Laufen und Schlitten fahren mit Schneeschuhen und Steigeisen. Erik und Alf machten viele Beobachtungen und Erik war sich sicher, daraus weitere, wichtige Verbesserungen der Ausrüstung ableiten zu können. Die Ergebnisse von seinem nächtlichen Einsatz wurden allgemein bemerkt und bewundert. Wie alle Anderen lernte Erik auch viel über seine Belastungsgrenzen. Es wurde gewiss allen bewusst, dass diese Unternehmung kein Zuckerschlecken würde und dass sie viel zu wenig alpine Erfahrung mitbrachten. Scheinbare Kleinigkeiten wie verschwitzte Kleidung und Schnee im Schuh konnten ihnen schnell zum Verhängnis werden. Erik fluchte vor allem innerlich über seine mangelnde Kondition.
Zurück im Flugzeug brauchten sie lange, um die Ausrüstung wieder zu ordnen und hatten kaum Zeit und Energie, um, wie geplant, gleich mit praktischen Arbeiten fortzufahren. Daher wurden die Lektionen für Lena und Katja vorgezogen und diejenigen, die gerade nicht daran beteiligt waren, nutzten die Zeit ebenfalls, ihr
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