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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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unterrichten?«
    »Sicher«, entgegnete Miss Hadeland etwas hölzern. »Natürlich muss sie noch einiges lernen, vor allem muss sie diesen … ungewöhnlichen Stil ablegen, aber ich bin sicher, dass sie dazu mehr Talent hat als zum Klavier. Es ist eben nicht jedem gegeben, diese Kunst zu beherrschen.«
    Den letzten Satz überhörend, sagte Helens Mutter daraufhin: »Also gut, dann unterrichten Sie sie. Wir werden Ihr Gehalt ein wenig aufstocken, denn ich glaube, es wird sich lohnen, dass Helen das Instrument gut beherrscht.«
    Miss Hadeland nickte, und ihr Blick fiel auf die Geige, die nun wieder auf ihrem Samtbett im Koffer schlummerte. Helen sah für einen Moment Begehrlichkeit in ihren Augen aufflammen, doch dann schien die Musiklehrerin wieder zu sich zu kommen.
    »Vielen Dank, Mrs Carter, ich werde mein Bestes geben. Vielleicht hat die Welt ja bald ein neues Wunderkind.«
    Daran, dass ihr Können ein Wunder sein sollte, glaubte Helen nicht. Die Geige zu spielen, fiel ihr zwar wesentlich leichter, als mit dem Klavier komplizierte Melodien zu produzieren, doch das alles sah sie als Produkt der Treffen mit der Fremden an. Der Fremden, die sie noch immer nicht wiedergesehen hatte. Miss Hadeland war dagegen wie eine Zuchtmeisterin, sie schenkte dem Mädchen wirklich nichts, ließ sie unsauber gespielte Akkorde ständig wiederholen, bis sich ihre Finger vom Druck auf die Saiten ganz taub anfühlten.
    Wenn Miss Hadeland besonders schwer zufriedenzustellen war, dachte Helen intensiv an die fremde Frau, die ihr so einfach und freundlich gezeigt hatte, wie man spielte. Wenn es ihre Zeit erlaubte, ging sie zum Gartenzaun, um Ausschau nach der Fremden zu halten, doch sie erschien nicht. War ihr bei dem Erdbeben vielleicht etwas passiert?
    Dann wiederum sagte sie sich, dass die Frau vielleicht böse auf sie war, weil Helen die Geige nicht weiter verheimlicht hatte. Am liebsten hätte sie ihr erklärt, dass sie nicht anders gekonnt hatte, aber die Frau war und blieb verschwunden.
    Hin und wieder kam ihre Mutter ins Musikzimmer, um den Fortschritt ihrer Tochter zu begutachten. Miss Hadeland ließ die Zügel dann etwas lockerer und tadelte auch nicht so scharf, wenn Helen etwas falsch machte. Ihre Mutter schien mit dem Spiel jedenfalls sehr zufrieden zu sein.
    »Helen meint, sie habe sich das Spielen selbst beigebracht«, flüsterte sie der Musiklehrerin zu, als sie glaubte, Helen würde nicht hinhören. Aber Helen hörte dank ihrer guten Ohren deutlich, was sie besprachen.
    »Natürlich wäre das möglich«, entgegnete Miss Hadeland. »Viele große Geiger waren Autodidakten. Und so, wie sie spielt, wäre es möglich, dass sie tatsächlich eine eigene Technik entwickelt hat. Allerdings würde mich interessieren, woher sie die Geige hat.«
    »Darüber schweigt sie sich ganz beharrlich aus, alles gute Zureden hat keinen Sinn«, antwortete ihre Mutter. »Aber sie sprach vor einigen Wochen von einer fremden Frau, die sie am Tor getroffen hat. Vielleicht hat diese ihr die Geige gegeben. Vielleicht war es ja eine Fahrende, die nichts mit dem Instrument anzufangen wusste.«
    »Dann ist die Geige vielleicht gestohlen.« Helens Mutter entging das begehrliche Aufleuchten in den Augen der Musiklehrerin vielleicht, doch Helen sah es ganz deutlich. Fest presste sie das Instrument an ihre Brust und schwor ihm leise, es davor zu beschützen, dass jemand seine Hand daran legte.
    »Nein, das glaube ich nicht. Und wenn es entwendet wurde, dann nicht in dieser Gegend. James hat sich überall in der Stadt umgehört, aber niemand vermisst ein Instrument. Natürlich haben die meisten Leute immer noch mit den Folgen des Erdbebens zu tun, doch das Fehlen einer Geige wäre ­sicher aufgefallen.«
    Helen bemerkte, dass Miss Hadeland auf diese Worte eine Weile sinnierte, und wieder hatte sie den Drang, die Geige fest an sich zu drücken und ihr zu versichern, dass sie in keine anderen Hände gelangen würde als die ihren.

25
    Padang 2011
    »Wollen Sie fahren, oder soll ich?«, fragte Verheugen, als er auf den Jeep deutete. Dieser sah aus, als sei er vom Militär ausgemustert worden, die Tarnfarbe bröckelte an einigen Stellen ein wenig ab. Rostspuren zierten das Heck und die Türen. Lilly lag schon die Bemerkung auf der Zunge, dass dieses Gefährt in Deutschland wohl nicht durch den TÜV kommen würde, doch sie wollte nicht herummäkeln, wo der Zahnarzt sie so freundlich umsorgte.
    »Ich glaube, Sie kennen sich mit Wagen wie diesen ein bisschen besser

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